Archiv der Kategorie: Rezensionen

Andrea Schacht – Der Bernsteinring

AutorAndrea Schacht
TitelDer Bernsteinring
SerieRing-Trilogie Band 2
Seitenzahl445
VerlagBlanvalet
ISBN978-3-442-36033-8
Bewertung

Inhalt
Köln, ca. 2002: Nachdem Anahita Kaiser und ihre Halbschwester Rose die Geschichte der Keltin Annik zusammen gesetzt haben, die ihr Vater ihnen episodenhaft erzählt hat, müssen sie erkennen, dass diese sehr viele Parallelen zu ihrem eigenen Leben bereit hält. Und so hält Anita die Augen offen, in der Hoffnung, dem mysteriösen Valerius wieder zu begegnen.
In der Zwischenzeit analysieren die jungen Frauen ein Stundenbuch, das über Umwege in den Besitz ihres Vaters gelangt ist und das ebenfalls irgendwie in Verbindung zu ihnen zu stehen scheint.
Köln, 1486: Anna Dennes ist als Tochter einer Kurtisane ohne große Zukunftsaussichten. Doch durch die Hilfe eines Gönners wird sie in einem Damenstift aufgenommen. Ihre Liebe zu dem älteren Mann bleibt allerdings unerwidert…

Meine Meinung
Als ich vor vielen Jahren auf die Ring-Trilogie von Andrea Schacht gestoßen bin, habe ich mir alle drei Bände sofort gekauft und diesen Kauf nie bereut. Inzwischen habe ich die kurzweilige Reihe mehrfach gelesen und jedes Mal genossen.
Dieser zweite Band schließt mit der Rahmenhandlung der Gegenwart direkt an die des ersten Bandes an. Zwar gibt es eine kurze Zusammenfassung über die Ereignisse aus dem ersten Band, über weitere Details wird man nach und nach informiert, nämlich immer dann, wenn es für die weitere Handlung nötig ist. Dennoch würde ich nicht empfehlen, den zweiten Band zu lesen, ohne den ersten zu kennen, auch wenn die Handlung der Vergangenheit, die den Großteil des Romans ausmacht, in sich abgeschlossen ist, denn dann verpasst man einfach zu viel.
Die Handlung in der Vergangenheit ist dagegen in sich abgeschlossen und beschreibt das Leben einer jungen Frau Ende des 15. Jahrhunderts in Köln. Anna Dennes würde gerne einem Damenstift beitreten, wo sie ein ruhiges Leben führen, zeichnen und lesen kann. Als Tochter einer Kurtisane steht ihr dieser Weg jedoch nicht offen. Doch dann findet sich plötzlich ein reicher Gönner, der eine Geschichte erfindet, die Anna dennoch ein solches Leben ermöglicht.
Die Geschichte verläuft eher gemächlich, tatsächliche Spannung entwickelt sich erst gegen Ende hin. Dennoch weiß der historische Teil des Romans zu fesseln, gibt es doch so manche Wendung, die überraschen kann. Zudem ist es spannend, zu sehen, wie die Charaktere, die denen der Gegenwart wie auch denen aus dem ersten Band entsprechen, hier in die Geschichte eingebunden werden, dabei aber doch immer wieder deutliche Unterschiede in Alter, Verwandtschaftsbeziehung, dem äußeren Erscheinungsbild oder der Herkunft zeigen.
Beschrieben wird ein Zeitraum von rund zwölf Jahren. Dabei wird das Leben in der Stadt Köln sehr anschaulich dargestellt, der Umbruch vom Mittelalter zur Renaissance ist deutlich spürbar, und auch die Entdeckung der Neuen Welt spielt zumindest nebensächlich eine Rolle. Dennoch sollte man nicht erwarten, viel über historische Großereignisse zu erfahren, dafür ist aber der Alltag umso bildlicher beschrieben.
Diese Geschichte aus der Vergangenheit wird immer wieder durch die Rahmenhandlung der Gegenwart unterbrochen, in der berichtet wird, wie sich die jungen Frauen Rose und Anita mit einem geheimnisvollen Stundenbuch beschäftigen, kräftig unterstützt durch Roses Halbschwester Cilly. Daneben versucht Anita, Informationen über den geheimnisvollen Valerius zu erhalten, der kurzzeitig in ihr Leben getreten, dann aber wieder verschwunden ist. Und auch das Leben nach den Operationen, die nach Anitas schrecklichen Unfall nötig sind, will geplant werden…
Die Rahmenhandlung beschreibt einen Zeitraum von einigen Monaten, wobei immer wieder längere Passagen ausgelassen oder nachträglich zusammengefasst werden. Sie ist sehr kurzweilig beschrieben. Aus der Ich-Perspektive wird erzählt, welche Fortschritte Anita in jedem der oben erwähnten Bereiche macht. Dabei ist die junge Frau nicht auf den Mund gefallen, nicht selten haben mich ihre Aussagen zum Schmunzeln gebracht.
Nicht ganz offensichtlich ist, wie die jungen Frauen nur anhand einiger Bilder und Sprüche aus einem Stundenbuch, eines Rings sowie weniger Träume eine Geschichte entwickeln können, die nicht nur ihrer Phantasie entspricht, aber dies ist ein eher kleiner Kritikpunkt.
Gestört hat mich dagegen ein wenig, wie schnell Anita, Rose und Cilly die mystischen Aspekte ihres Lebens akzeptieren. Egal ob Horoskope oder eben die Tatsache, dass sie möglicherweise schon einmal gelebt haben, alles wird sehr schnell als gegeben hingenommen und darauf aufgebaut. Dabei spielt dieser Aspekt eine größere Rolle als noch im ersten Band.
Die Charaktere der Vergangenheit wie auch der Gegenwart sind sehr vielschichtig beschrieben, manche sind sympathischer, andere weniger, die meisten zeigen verschiedene Facetten, so dass hier keine starre Schwarz-Weiß-Malerei festzustellen ist.
Die Liebe spielt in beiden Handlungssträngen eine nicht unwichtige Rolle, ist jedoch nie dominant. Auf Sexszenen wird nicht völlig verzichtet, sie sind jedoch alles andere als explizit.
Sprachlich ist auffällig, dass hier, wie schon beim Vorgänger, in beiden Zeitebenen sehr viel mit wörtlicher Rede gearbeitet wird, manchmal mehrere Seiten am Stück, nur sehr selten unterbrochen durch ergänzende Sätze. Gelegentlich kann man da schon mal den Überblick darüber verlieren, wer nun gerade spricht, abgesehen davon sorgt dies aber für eine hohe Lebendigkeit der Geschichte, so dass man geradezu durch die Seiten fliegen kann.
Die Sprache ist modern gehalten, was in der Gegenwart nicht weiter auffällt, in den historischen Passagen aber eher ungewohnt ist.
Auf Zusatzmaterial muss man weitestgehend verzichten, einzig ein amüsantes Personenregister ist neben einem kurzen Vorwort vorhanden.

Fazit
Auch der zweite Band der Trilogie ist wieder sehr unterhaltsam und durch die lockere Schreibweise sehr gut und flüssig zu lesen, so dass das Lesen an sich einfach Spaß macht. Leider ist die Handlung der früheren Zeitebene doch recht unscheinbar und wenig spannend. Im Rahmen der Trilogie ist dieser Roman auf jeden Fall lesenswert, als Einzelband würde ich ihn nicht empfehlen.

Alys Clare – Sei geweiht der Hölle

AutorAlys Clare
TitelSei geweiht der Hölle
OriginaltitelFortune Like the Moon
ÜbersetzerAna Maria Brock
SerieHawkenlye-Mysteries Band 1
Seitenzahl284
VerlagAufbau
ISBN978-3-746-62127-2
Bewertung

Inhalt
England, 1189: Kurz vor seiner Krönung erlässt König Richard eine Generalamnestie für alle Gefängnisinsassen Englands, um seine künftigen Untertanen für sich einzunehmen.
Doch kurz darauf wird ausgerechnet eine Nonne tot aufgefunden, und diese Gewalttat wird entlassenen Mördern und somit dem König angelastet.
Um nun einer Welle der Angst entgegenzuwirken entsendet Richard seinen Ritter Josse d‘ Acquin zur Abtei Hawkenlye, um der Sache auf den Grund zu gehen. Josse, halber Engländer und mit der Gegend halbwegs vertraut, nimmt sich der Aufgabe gewissenhaft an und findet in der Äbtissin Helewise eine unerwartete Partnerin bei der Aufklärung des Verbrechens.
Schon bald erkennen die beiden einige Ungereimtheiten – hinter dem Mord scheint mehr zu stecken, als es zunächst den Anschein hat…

Meine Meinung
Oft kann ich wenig mit historischen Krimis anfangen, weil sie zu sehr auf den Zufall bauen, einfach unglaubwürdig sind, die ganze Ermittlung einfach sehr langatmig beschrieben wird oder der Krimi nur als Vorwand für eine Liebesgeschichte dient, weshalb ich eher selten Bücher aus diesem Genre kaufe – oft gelangen sie über Umwege zu mir, so auch in diesem Fall. Glücklicherweise handelt es sich um den ersten Band einer Reihe, die ganze siebzehn Bände umfasst.
Die Autorin Elizabeth Harris, die hier unter dem Pseudonym Alys Clare schreibt, ist inzwischen kein unbeschriebenes Blatt mehr, denn inzwischen hat sie rund vierzig Romane geschrieben. Dennoch war sie mir bisher völlig unbekannt.
Der historische Hintergrund rund um die Krönung König Richards ist hier hinreichend beschrieben, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wieso dem König oder besser gesagt dessen Mutter Eleanor so sehr an der Aufklärung dieses Falles gelegen ist. Für die weitere Handlung des Krimis und die Aufklärung des Mordes ist dies allerdings weitestgehend irrelevant. Dennoch vermag es die Autorin, ein gutes Gefühl für die Zeit an sich zu vermitteln, immer wieder fließen nebenbei Beschreibungen über die Städte oder Güter mit ein, man erfährt, wie die Menschen leben oder denken, so dass die Atmosphäre dieser Zeit gut übertragen wird. Auch wenn die Abtei Hawkenlye selbst fiktiv ist, kann man sie sich sehr gut vorstellen.
Josse d’Acquin ist eher zufällig an diesen Fall geraten, eigentlich bringt er keine besondere Qualifikation mit sich, die ihn für solche Arbeiten besonders befähigen. Er ist Ritter, war in seinen etwa dreißig Lebensjahren jedoch oft genug im Krieg, um den Kampf nicht zu suchen. In seiner Heimat wird er nicht gebraucht, und so hat er keinen Ort, den er als sein Zuhause betrachtet.
Äbtissin Helewise dagegen ist 37 Jahre alt und nach dem Tod ihres Mannes in das Kloster eingetreten. Sie ist auch nach vier Jahren im Amt noch sehr weltlich eingestellt, muss sie doch auch über das Wohl ihrer Schützlinge wachen.
Beide verfügen über einen wachen Verstand, so dass sie bald erkennen, dass es sich hier nicht um das Verbrechen handelt, nach dem es im ersten Moment aussieht.
Beide Hauptcharaktere sind sehr menschlich gezeichnet. Sie haben ihre Fehler, eine Vergangenheit, die sie mit sich tragen, und selbst wenn darüber in diesem Band nicht allzu viel durchdringt, so ist doch deutlich zu spüren, dass sich die Autorin hier Gedanken über die Vorgeschichte ihrer Figuren gemacht hat.
Andere Charaktere dagegen werden nicht so deutlich beschrieben, doch auch diese kann man kaum als Stereotype bezeichnen.
Historische Krimis zeichnen sich oft dadurch aus, dass die Ermittler in der Regel Laien sind und somit über wenig oder gar kein kriminalistisches Vorwissen verfügen, wodurch die Ermittlungen oft schleppend vorangehen. Dies ist auch hier der Fall. Die meiste Ermittlungsarbeit fällt Josse zu, der von einem Ort zum nächsten reitet, Menschen befragt, wieder zurück reist, sich wieder umhört, und am nächsten Tag dasselbe Spiel. Dabei legt er Strecken zurück, bei denen ich mir nur schwer vorstellen kann, dass ein Pferd sie an einem Tag bewältigen kann.
Der Fall selbst ist schon eher ungewöhnlich, und ohne zu viel zu verraten kann ich sagen, dass auch die Auflösung eher unerwartet war.
Der Schreibstil ist ansprechend. Er ist nicht kompliziert, der Inhalt wird leicht verständlich vermittelt, und auch dem einen oder anderen Schachtelsatz kann man gut folgen.
Auf Zusatzmaterial muss man hier leider verzichten, jedoch ist solches auch kaum notwendig. Eine Karte wäre vielleicht schön gewesen, ebenso ein kleines Nachwort, doch wirklich vermisst habe ich diese Dinge nicht.

Fazit
Mit Sei geweiht der Hölle erfindet Alys Clare den historischen Krimi sicher nicht neu. Die Auflösung kann dennoch überraschen, die Umsetzung ist weitestgehend logisch und die Charakterzeichnung überzeugt, so dass ich hier gerne eine vorsichtige Empfehlung aussprechen möchte.

Daniel Wolf – Der Vasall des Königs

AutorDaniel Wolf
TitelDer Vasall des Königs
SerieVarennes-Saint-Jacques Prequel zu Band 3
Seitenzahl95
VerlagGoldmann
ISBN978-3-641-18079-9
Bewertung

Inhalt
Varennes-Saint-Jaques, Lothringen, 1255: Balian ist das schwarze Schaf der Familie Fleury. Weder ist er geduldig genug für die Kunst der Buchmalerei, sehr zum Verdruss seines Vaters, noch hat er genügend mathematisches Geschick, um ein guter Händler wie sein Bruder zu sein. Daran gewohnt, von allen als Versager gesehen zu werden, sehnt er sich danach, endlich einmal erfolgreich zu sein und zu erleben, dass seine Familie stolz auf ihn ist.
Als König Wilhelm von Holland ein Heer zusammenstellt, um damit gegen die aufständischen Friesen zu ziehen, folgen die Städte Lothringens dem Aufruf nicht. Doch sieht Balian hier eine Chance, Ruhm zu erwerben. Heimlich schließt er sich dem Kriegszug an…

Meine Meinung
Der Vasall des Königs ist eine Novelle von knapp 100 Ebook-Seiten, die als Prequel zu Das Gold des Meeres geschrieben wurde und die Wartezeit auf diesen Roman ein wenig überbrückt hat.
Aufgrund des geringen Umfangs kann man hier keine ausschweifende Handlung erwarten. Das, was hier beschrieben wird, ist jedoch stimmig und spannend.
Den historischen Hintergrund bildet der Friesenfeldzug König Wilhelms von Holland. Wer wie ich noch nie davon gehört hat muss sich aber keiner großen Bildungslücke schuldig bekennen, denn es handelt sich um kein sehr bedeutsames Ereignis.
Für Balian Fleury jedoch handelt es sich um eine wichtige Erfahrung.
Balian ist zweiundzwanzig Jahre alt, hat aber seinen Platz in der Welt noch nicht gefunden. Von seiner Familie wird er in die Position des Händlergehilfen gedrängt, eine Arbeit, die Balian überhaupt nicht liegt, denn mit Zahlen tut er sich schwer. Sprachen dagegen erlernt er im Handumdrehen, und an den Waffen übt er sich regelmäßig, selbst wenn sein Bruder dies nicht gerne sieht.
Während seines Abenteuers trifft er auf diverse Personen, die ihn prägen, und er erlebt Dinge, die er vorher nicht erwartet hätte.
Der Schreibstil ist angenehm, nicht kompliziert, man kann der Handlung leicht folgen. Die Spannung wird dadurch hoch gehalten, dass man zu Beginn wie auch im späteren Verlauf immer wieder mitten in die Geschichte geworfen wird, während längere Handlungspausen übersprungen werden, wodurch sich die Handlung auf ein gutes halbes Jahr streckt. Dennoch wird man nicht im Unklaren darüber gelassen, wie die aktuelle Situation ist, auch Hintergrundinformationen lässt der Autor so einfließen, dass sie nicht aufgesetzt wirken.
An Zusatzmaterial ist dem Ebook einzig eine Leseprobe für den Folgeroman, Das Gold des Meeres, beigefügt, dabei wäre es sicher nicht verkehrt, wenn auch hier eine Karte enthalten wäre.

Fazit
Dieser Kurzroman ist sicher kein Muss, man kann den Roman Das Gold des Meeres auch lesen, ohne diese Kurzgeschichte zu kennen. Jedoch denke ich, dass es einfach eine nette Zusatzgeschichte ist, die Balian als Hauptfigur des Folgeromans sehr gut charakterisiert, weshalb ich die Lektüre dieser interessanten Zusatzepisode empfehlen würde. Ob diese jedoch 1,99€ wert ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Rebecca Gablé – Teufelskrone

AutorRebecca Gablé
TitelTeufelskrone
SerieWaringham Prequel
Seitenzahl928
VerlagLübbe
ISBN978-3-785-72660-0
Bewertung

Inhalt
England, 1193: König Richard ist in Gefangenschaft geraten! Diese Nachricht muss der Königinmutter so schnell wie möglich überbracht werden, und so reitet Yvain of Waringham, Bruder eines Ritters aus Richards Gefolge, nach Winchester, wo er zudem noch mit dem Meister der Templer reden soll, um seine Aufnahme in den Orden zu erbitten.
Nach der Erfüllung seiner Aufträge trifft der Vierzehnjährige jedoch auf Richards Bruder John, den Mann, der auf gar keinen Fall zu früh von Richards Gefangennahme erfahren darf. Während Yvain noch geschickt Johns Fallen umschifft, kann er nicht ahnen, wie sehr dieses Zusammentreffen sein Leben beeinflussen soll…

Meine Meinung
Auf diesen Roman über König John habe ich mich schon im Vorfeld sehr gefreut, denn Romane über diese Zeit lese ich mit am liebsten. Nun war ich gespannt, wie eine meiner Lieblingsautorinnen die Zeit und insbesondere diesen nicht gerade beliebten König beschreiben würde.
In vielen anderen Romanen und auch in Rebecca Gablés Sachbuch Von Ratlosen und Löwenherzen wird kaum ein gutes Haar an John gelassen, und so war ich überrascht, dass hier doch ein paar positive Seiten von John aufgezeigt werden – die er auch besessen haben muss, denn sonst hätte wohl kaum jemand treu zu ihm stehen können.
Die Hauptperson ist jedoch Yvain of Waringham, zu Beginn knapp fünfzehn Jahre alt und Knappe, zunächst im Haushalt seines Vaters, später dann in Johns Diensten. Wer schon den einen oder anderen Waringham-Roman gelesen hat, erkennt vielleicht etliche Wesenszüge wieder, die auch spätere Generationen in sich tragen. So ist Yvain ziemlich direkt und nimmt kein Blatt vor den Mund, was ihn schon mal in Schwierigkeiten bringt. Er hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn – in Johns Haushalt auch nicht unbedingt gesund – und steht treu zu seinen Freunden. Auch die Pferdeliebe nimmt hier einen wichtigen Punkt ein, denn auch wenn es die Zucht auf Waringham noch nicht gibt, so besitzt Yvain doch die Gabe, die in späteren Generationen gelegentlich auftritt.
Andere wichtige Personen in diesem Roman sind Guillaumes Frau Amabel, in die Yvain seit Jahren verliebt ist, und etliche Knappen aus Johns Haushalt, allen voran William de Braose.
Die meisten wichtigen Charaktere, fiktive wie historische, sind vielschichtig beschrieben. Sie haben positive wie negative Seiten, so dass sie menschlich erscheinen. Einzig zwei Personen stechen für mich da heraus, nämlich Yvain selbst, der der typische, überaus sympathische Gablé-Held ist, sowie Pentecôte FitzHugh, ein anderer Knappe aus Johns Haushalt, der Yvain nicht leiden kann und ihm immer wieder Steine in den Weg legt. Mich hat dies jetzt nicht gestört, jedoch kann ich mir vorstellen, dass dies nicht jedem gefallen mag.
Dieser Roman umfasst rund 23 Jahre, in denen wir den fiktiven Yvain of Waringham an Johns Seite erleben, während sein Bruder Guillaume in König Richards Diensten steht. Es gibt viele spannende Ereignisse, die meisten davon historisch belegt, die einen selbst dann mitfiebern lassen, wenn man schon mehrfach darüber gelesen hat und sie eigentlich nicht mehr überraschen oder schockieren können sollten. Daneben erfahren wir aber auch ein wenig über das Leben in der kleinen Baronie Waringham, was Fans der Reihe besonders freuen dürfte. Man erfährt, warum die Waringhams keinen weiteren Familiennamen haben – was mich in Das Lächeln der Fortuna doch sehr gewundert hat – und bekommt eine Ahnung, wie eine weitere Gabe, nämlich die Kraft der Vorsehung, in die Familie gekommen ist.
Bei einem so langen Handlungszeitraum lassen sich größere Zeitsprünge nicht vermeiden, manchmal von mehreren Wochen und Monaten, gelegentlich aber auch von einigen Jahren.
Auch wenn kriegerische Handlungen im Roman beschrieben werden, so wird doch auf die Ausschmückung grausamer Details verzichtet.
Der Schreibstil ist eher schlicht gehalten, dabei jedoch so temporeich, dass ich auch in diesem Roman nur so durch die Seiten geflogen bin und das Buch kaum aus der Hand legen konnte.
Da es sich um ein Prequel der Waringham-Reihe handelt und etliche Generationen vor Das Lächeln der Fortuna spielt, steht er mehr oder weniger für sich alleine und es ist nicht nötig, einen anderen Roman der Reihe oder überhaupt von der Autorin zu kennen, es nimmt aber auch keine Spannung, sollte man bereits mit den älteren Romanen vertraut sein.
Ein Nachwort über Fakt und Fiktion rundet den Roman perfekt ab, daneben gibt es noch ein Register der wichtigsten Charaktere. In der Hardcover-Ausgabe sind zudem farbige Karten auf den Innenseiten des Covers zu finden.

Fazit
Ja, ich liebe die Romane von Rebecca Gablé! Und das wird sich wohl auch nicht ändern. Da die Autorin ihrem Stil hier treu bleibt, kann ich diesen Roman all denjenigen empfehlen, die schon andere Bücher von ihr mochten, wer jedoch mit ihren Geschichten wenig anzufangen weiß, wird wohl seine Meinung durch diesen Roman kaum ändern.

Sabine Wassermann – Die Teufelsmalerin

AutorSabine Wassermann
TitelDie Teufelsmalerin
Seitenzahl331
VerlagRoRoRo
ISBN978-3-499-24491-9
Bewertung

Inhalt
Mainz, 1631: Als ein Apotheker einen Tonklumpen für einen Dämon hält und deshalb die Malerin Henrietta Güntelein als Hexe anzeigt, glaubt sie sich verloren. Doch einige Wochen später erreichen die Schweden Mainz, im Tross den Maler Thomas Hartenberg. Als Sachverständiger hinzugezogen kann er den „Dämon“ benennen und Henrietta so entlasten, doch wird ihr das Malen bei Strafe verboten.
Zu allem Überfluss wird eine Rotte Soldaten bei ihr und ihrem schwer kranken Vater einquartiert. Und da ist auch noch ein Heiligenbild, das sie unbedingt fertig stellen muss…

Meine Meinung
Als ich diesen Roman vor etlichen Jahren das erste Mal gelesen habe, war mir die leider inzwischen verstorbene Autorin Sabine Wassermann noch völlig unbekannt. Doch hat mich dieser Roman genügend gefesselt, um in den folgenden Jahren noch weitere Bücher von ihr zu lesen.
Der Roman spielt im Mainz des Dreißigjährigen Krieges, direkt zu Beginn der Besetzung durch schwedische Truppen. Durch die Pest, die sieben Jahre zuvor gewütet hat, und durch den Krieg, der Geschäfte zum Stillstand gebracht hat, sind viele Menschen abgestumpft, nehmen Dinge als gegeben hin, während andere hier das Wirken von Dämonen und Hexen sehen wollen. Dieser Hintergrund, insbesondere die teils stoische Akzeptanz von Gräueltaten, wird authentisch beschrieben, ohne, dass hier jedoch zu sehr ins Detail gegangen wird, da der Leser über die meisten der besagten Grausamkeiten nur aus zweiter Hand informiert wird oder diese in einem Nebensatz erwähnt werden. Die Atmosphäre ist bedrückend und unglaublich dicht.
In dieser trostlosen Umgebung setzt die Autorin ihre Geschichte an. Diese umfasst, lässt man den Prolog außen vor, gerade einmal zehn Wochen und beschreibt den Kampf einer Malerin um ihre Identität, welcher plötzlich durch sich entwickelnde Gefühle eine andere Wendung nimmt.
Diese Liebesgeschichte ist an keiner Stelle kitschig beschrieben, auch dominiert sie den Roman nicht, sondern ist stimmig eingebunden, beinahe beiläufig beschrieben.
Die Anklage der Hexerei zu Beginn des Romans dient überwiegend als Aufhänger und ist nicht eigentlich Inhalt des Romans, auch wenn die Gefahr einer erneuten Anklage immer wieder im Raum steht. Wer also einen Roman über Hexenprozesse sucht, ist hier falsch bedient.
Nicht nur die Handlung ist eher kompakt gehalten, auch die Anzahl der handelnden Personen ist nicht sehr groß, so dass auf den gerade einmal 331 Seiten genügend Raum bleibt, um sie ausreichend zu charakterisieren. Selbst Nebenfiguren sind gut herausgearbeitet, selbst wenn sie nur mit wenigen Worten skizziert werden. Auch wenn die Sympathien wohl schnell eindeutig verteilt sein sollten, so wird auf platte Klischees verzichtet, auch ist bei einigen Charakteren eine deutliche Entwicklung zu erkennen.
So ist die Protagonistin Henrietta Güntelein sicher kein Unschuldslamm. Mit 23 Jahren ist sie eine alte Jungfer, die sich damit abgefunden hat, keinen Ehemann zu finden. Sie ist nicht gerade zugänglich, hat in der Stadt mehr Feinde als Freunde, doch sie liebt ihren an Syphilis erkrankten Vater und verhindert, dass er ins Siechenhaus abgeschoben wird. Die Kunst ist ihr Leben, alles dreht sich um sie, doch wie kann sie Künstlerin sein, wenn sie weder malen noch zeichnen darf?
In diesen inneren Zwiespalt tritt nun Thomas Hartenberg, der sie als Gehilfin anstellt und ihr so ein geringes Einkommen verschafft. Thomas hat seine Heimat verloren, hat aber das große Glück, dass er im schwedischen Statthalter Sparre einen Förderer gefunden hat. Auch wenn er seine aktuelle Lage als gegeben hinnimmt und weiß, dass er gegen viele Untaten nichts ausrichten kann, so versucht er, zumindest unnötige Grausamkeit zu verhindern.
Sven Persson ist der Anführer der Rotte Schweden, die in Henriettas Haus einquartiert wird. Man kann ihn nicht gerade als liebevoll bezeichnen, er quält Henrietta aber auch nicht. Vielmehr scheint es, als sei er durch den Krieg so weit abgestumpft, dass er manche Dinge als völlig normal sieht, die Besatzer den Bewohner antun, und sieht Gewalt als Mittel zum Zweck, nicht aber als Selbstzweck an. Im Vergleich zu seinem Bruder Ole, der bekannt dafür ist, Frauen zu bedrängen und gerne einen über den Durst zu trinken, ist Sven noch sehr gemäßigt.
Ob es nun die Magd Priska ist, die einarmige Trosshure Jette, der stumme Junge Jörg, man erfährt genügend, um zu erfahren, wieso sie handeln wie beschrieben.
Der Schreibstil ist dem Hintergrund angemessen eher nüchtern gehalten, man findet keine romantische Verklärung der Situation vor, vielmehr wird diese mit knappen Worten treffend beschrieben, so dass die Geschichte ohne Längen erzählt wird. Einzig über Details der Malerei verliert Sabine Wassermann ein paar mehr Worte, was für mich in diesem Zusammenhang völlig in Ordnung ist.
Leider weist der Roman keinerlei Zusatzausstattung auf, über eine Karte der Stadt Mainz oder ein Nachwort zum historischen Kontext hätte ich mich schon gefreut.

Fazit
Ein unglaublich dichter Roman über das Leben und die Liebe zu Kriegszeiten, der keinesfalls kitschig, aber auch nicht übertrieben grausam geschrieben ist.