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Sabine Wassermann – Die Teufelsmalerin

AutorSabine Wassermann
TitelDie Teufelsmalerin
Seitenzahl331
VerlagRoRoRo
ISBN978-3-499-24491-9
Bewertung

Inhalt
Mainz, 1631: Als ein Apotheker einen Tonklumpen für einen Dämon hält und deshalb die Malerin Henrietta Güntelein als Hexe anzeigt, glaubt sie sich verloren. Doch einige Wochen später erreichen die Schweden Mainz, im Tross den Maler Thomas Hartenberg. Als Sachverständiger hinzugezogen kann er den „Dämon“ benennen und Henrietta so entlasten, doch wird ihr das Malen bei Strafe verboten.
Zu allem Überfluss wird eine Rotte Soldaten bei ihr und ihrem schwer kranken Vater einquartiert. Und da ist auch noch ein Heiligenbild, das sie unbedingt fertig stellen muss…

Meine Meinung
Als ich diesen Roman vor etlichen Jahren das erste Mal gelesen habe, war mir die leider inzwischen verstorbene Autorin Sabine Wassermann noch völlig unbekannt. Doch hat mich dieser Roman genügend gefesselt, um in den folgenden Jahren noch weitere Bücher von ihr zu lesen.
Der Roman spielt im Mainz des Dreißigjährigen Krieges, direkt zu Beginn der Besetzung durch schwedische Truppen. Durch die Pest, die sieben Jahre zuvor gewütet hat, und durch den Krieg, der Geschäfte zum Stillstand gebracht hat, sind viele Menschen abgestumpft, nehmen Dinge als gegeben hin, während andere hier das Wirken von Dämonen und Hexen sehen wollen. Dieser Hintergrund, insbesondere die teils stoische Akzeptanz von Gräueltaten, wird authentisch beschrieben, ohne, dass hier jedoch zu sehr ins Detail gegangen wird, da der Leser über die meisten der besagten Grausamkeiten nur aus zweiter Hand informiert wird oder diese in einem Nebensatz erwähnt werden. Die Atmosphäre ist bedrückend und unglaublich dicht.
In dieser trostlosen Umgebung setzt die Autorin ihre Geschichte an. Diese umfasst, lässt man den Prolog außen vor, gerade einmal zehn Wochen und beschreibt den Kampf einer Malerin um ihre Identität, welcher plötzlich durch sich entwickelnde Gefühle eine andere Wendung nimmt.
Diese Liebesgeschichte ist an keiner Stelle kitschig beschrieben, auch dominiert sie den Roman nicht, sondern ist stimmig eingebunden, beinahe beiläufig beschrieben.
Die Anklage der Hexerei zu Beginn des Romans dient überwiegend als Aufhänger und ist nicht eigentlich Inhalt des Romans, auch wenn die Gefahr einer erneuten Anklage immer wieder im Raum steht. Wer also einen Roman über Hexenprozesse sucht, ist hier falsch bedient.
Nicht nur die Handlung ist eher kompakt gehalten, auch die Anzahl der handelnden Personen ist nicht sehr groß, so dass auf den gerade einmal 331 Seiten genügend Raum bleibt, um sie ausreichend zu charakterisieren. Selbst Nebenfiguren sind gut herausgearbeitet, selbst wenn sie nur mit wenigen Worten skizziert werden. Auch wenn die Sympathien wohl schnell eindeutig verteilt sein sollten, so wird auf platte Klischees verzichtet, auch ist bei einigen Charakteren eine deutliche Entwicklung zu erkennen.
So ist die Protagonistin Henrietta Güntelein sicher kein Unschuldslamm. Mit 23 Jahren ist sie eine alte Jungfer, die sich damit abgefunden hat, keinen Ehemann zu finden. Sie ist nicht gerade zugänglich, hat in der Stadt mehr Feinde als Freunde, doch sie liebt ihren an Syphilis erkrankten Vater und verhindert, dass er ins Siechenhaus abgeschoben wird. Die Kunst ist ihr Leben, alles dreht sich um sie, doch wie kann sie Künstlerin sein, wenn sie weder malen noch zeichnen darf?
In diesen inneren Zwiespalt tritt nun Thomas Hartenberg, der sie als Gehilfin anstellt und ihr so ein geringes Einkommen verschafft. Thomas hat seine Heimat verloren, hat aber das große Glück, dass er im schwedischen Statthalter Sparre einen Förderer gefunden hat. Auch wenn er seine aktuelle Lage als gegeben hinnimmt und weiß, dass er gegen viele Untaten nichts ausrichten kann, so versucht er, zumindest unnötige Grausamkeit zu verhindern.
Sven Persson ist der Anführer der Rotte Schweden, die in Henriettas Haus einquartiert wird. Man kann ihn nicht gerade als liebevoll bezeichnen, er quält Henrietta aber auch nicht. Vielmehr scheint es, als sei er durch den Krieg so weit abgestumpft, dass er manche Dinge als völlig normal sieht, die Besatzer den Bewohner antun, und sieht Gewalt als Mittel zum Zweck, nicht aber als Selbstzweck an. Im Vergleich zu seinem Bruder Ole, der bekannt dafür ist, Frauen zu bedrängen und gerne einen über den Durst zu trinken, ist Sven noch sehr gemäßigt.
Ob es nun die Magd Priska ist, die einarmige Trosshure Jette, der stumme Junge Jörg, man erfährt genügend, um zu erfahren, wieso sie handeln wie beschrieben.
Der Schreibstil ist dem Hintergrund angemessen eher nüchtern gehalten, man findet keine romantische Verklärung der Situation vor, vielmehr wird diese mit knappen Worten treffend beschrieben, so dass die Geschichte ohne Längen erzählt wird. Einzig über Details der Malerei verliert Sabine Wassermann ein paar mehr Worte, was für mich in diesem Zusammenhang völlig in Ordnung ist.
Leider weist der Roman keinerlei Zusatzausstattung auf, über eine Karte der Stadt Mainz oder ein Nachwort zum historischen Kontext hätte ich mich schon gefreut.

Fazit
Ein unglaublich dichter Roman über das Leben und die Liebe zu Kriegszeiten, der keinesfalls kitschig, aber auch nicht übertrieben grausam geschrieben ist.

Ricarda Jordan – Die Pestärztin

Autor Ricarda Jordan
Titel Die Pestärztin
Seitenzahl 636
Verlag Bastei Lübbe
ISBN 978-3-404-15990-1
Bewertung

Inhalt
Mainz, 1330: Lucia wächst unter ungewöhnlichen Bedingungen auf: Ihre Tage verbringt sie im Haushalt der reichen jüdischen Familie von Speyer, zusammen mit ihrer Ziehschwester Lea, die am selben Tag geboren wurde wie sie und die ihr auch noch sehr ähnlich sieht. Dort wird sie unterrichtet und unterstützt, doch die Nächte muss sie als Tochter einer christlichen Mutter unter Christen verbringen.
Und so lebt Lucia zwischen den Welten, keiner Gemeinschaft fühlt sie sich zugehörig. Von den Christen wird sie wegen ihrer Verbundenheit zu den Juden abgelehnt, von den Juden wegen ihrer christlichen Herkunft nur geduldet.
Als sich David, der Sohn des Hauses, in Lucia verliebt, hat dies verheerende Folgen…

Meine Meinung
Mit dem Mittelalterroman Die Pestärztin hat die Autorin Christiane Gohl, die besser als Sarah Lark bekannt ist, ihren ersten Roman unter dem Pseudonym Ricarda Jordan herausgebracht. Der Titel dieses Romans ist jedoch ein wenig irreführend, denn als Pestärztin tritt Lucia nur einen recht kleinen Teil des Buches auf.
Vielmehr geht es eben um Lucia selbst, um ihre ungewöhnliche Jugend, ihr Interesse an der Medizin, aber insbesondere ihrer Vorteile und Probleme, die ihr Leben in zwei Welten mit sich bringt. Es gibt auch eine Liebesgeschichte, doch nimmt diese längst nicht so viel Raum ein und entwickelt sich in eine andere Richtung, als ich zunächst erwartet hatte.
Lucia ist eine recht interessante Person, wissbegierig, mit einer schnellen Auffassungsgabe. Sie spricht mehrere Sprachen und kann diese auch lesen. Sie kann anpacken und ergreift Gelegenheiten, die sich ihr bieten, beim Schopf. Für mich denkt und handelt die junge Frau schon ein wenig zu modern, aber nicht völlig unwahrscheinlich, wenn man ihre Kindheit betrachtet.
Ihre Ziehschwester Lea sieht sich dagegen als zukünftige Hausfrau und Mutter und interessiert sich deshalb für häusliche Dinge, mit Lucias Interesse an den Wissenschaften kann sie wenig anfangen.
Die wichtigste Bezugsperson in Lucias Kindheit und Jugend ist jedoch Al Shifa, eine maurische Sklavin, die für Lucia die Mutterstelle einnimmt und sie in ihrem Wissensdurst bestärkt, da sie selbst ebenfalls über eine sehr gute Bildung verfügt.
Während der Roman über weite Teile nicht nur unterhaltsam, sondern auch spannend war, hatte ich dennoch so meine Probleme mit ihm. So stellt sich mir als erstes die Frage, ob so ein Leben, wie Lucia es hier führt, überhaupt möglich gewesen wäre, nachts Christin, tags unter Juden, dazu noch von einer maurischen Haushälterin betreut und unterwiesen. Genau weiß ich es nicht, würde es aber eher unter dichterischer Freiheit verbuchen.
Doch auch wenn dies tatsächlich zugelassen worden wäre, gibt es noch einige andere Aspekte, die mir weniger gefallen haben. Die Pest mit ihrem Verlauf und Behandlungsmethoden wird hier mit einer Selbstverständlichkeit diskutiert, als ob diese Krankheit lange bekannt wäre, dabei war sie relativ neu, die letzte Pestwelle mehrere hundert Jahre zuvor wohl längst vergessen.
Auch lebt die Romanhandlung sehr vom Zufall, nicht nur ein Mal trifft die Hauptperson zufällig auf Personen, die ihr bekannt sind oder, in einer Situation, das Pferd kennen, das sie reitet. Das Ende selbst konnte mich auch nicht überzeugen, das ging mir alles zu glatt und war mir dann auch zu dick aufgetragen.
Andere Themen wie das Judenpogrom in Mainz oder die Pesterkrankungen werden dagegen sehr eindringlich dargestellt, diese Schilderungen fand ich überzeugend und sehr bedrückend. Dass Lucia dies nicht ohne Verluste übersteht war abzusehen, das Ausmaß jedoch hat mich zunächst doch überraschen können und war auch recht glaubhaft beschrieben
Zusatzmaterial sucht man in meiner Ausgabe leider vergebens. Durch ein Nachwort hätten zumindest ein paar der Fragen, die ich am Ende noch hatte, geklärt werden können, schade, dass der Verlag und die Autorin diese Chance nicht genutzt haben.

Fazit
Für mich war die Handlung zu sehr vom Zufall bedingt, manche Wendungen zwar zunächst unerwartet, im Großen und Ganzen war die Geschichte dann jedoch recht vorhersehbar. Trotzdem war das Buch nicht langweilig, und Lucias Leben zwischen den Welten, so unwahrscheinlich ich es halte, doch recht interessant.