Schlagwort-Archive: 18. Jh.

Christopher Whyte – Die stumme Sängerin

AutorChristopher Whyte
TitelDie stumme Sängerin
OriginaltitelThe Cloud Machinery
ÜbersetzerHanna van Laak
Seitenzahl367
VerlagFischer
ISBN978-3-596-16315-1
Bewertung

Inhalt
Venedig, 1761: Vor sieben Jahren ist der adelige Theaterbesitzer Alvise Contarini während einer Vorstellung ermordet worden, nun endlich wurden die Erbstreitigkeiten geschlichtet.
Der neue Besitzer plant, das Teatro Sant‘ Igino so schnell wie möglich wieder zu öffnen und stellt dazu Ansaldo Limentani ein, der die Leitung übernehmen soll.
Doch das Theater umgibt ein Geheimnis, denn es ist nicht völlig verlassen, denn zwei Gestalten sind dort mehrfach gesichtet worden.
Unterdessen ist der Naturphilosoph Andreas Hofmeister auf der Suche nach dem Magier Goffredo Negri und einer jungen Frau, die etliche Jahre zuvor aus Neapel verschwunden ist…

Meine Meinung
Die stumme Sängerin ist einer der Romane, die ich mir wahrscheinlich nicht genauer angeschaut hätte, wäre er mir nicht aus zweiter Hand zugefallen. Und so habe ich ihn kürzlich vorgenommen, als ich ein schnelles Buch für zwischendurch gesucht habe, an das ich ohne Erwartungen herangehen konnte.
Der historische Hintergrund des Romans ist eigentlich recht interessant, denn es wird einiges über das Theater und die Oper des 18. Jahrhunderts in Italien vermittelt, sei es der Aufbau der Bühne mit seinen Maschinerien, Information über die Kastratensänger oder einfach nur, wie das Theater von vielen Besuchern wahrgenommen wurde, nämlich als Bühne, um sich selbst zu präsentieren. Allerdings sind diese Informationen eher beiläufig enthalten, Beschreibungen, insbesondere zur Wolkenmaschine, einer bestimmten Art der Bühnenmaschinerie, kratzen an der Oberfläche, so dass man sich ohne Vorwissen viele Dinge nur schwer vorstellen kann.
Die Handlung, die in diesen Hintergrund eingebettet ist, konnte mich schon zunächst interessieren. Zwar ist der Aufbau recht ungewöhnlich gestaltet, da immer mehr und mehr Charaktere eingeführt werden und zudem ständig zwischen diesen hin- und hergesprungen wird, so dass ich bis weit in das Buch hinein noch kaum eine Vorstellung hatte, worum es gehen sollte. Zudem bestehen manche Kapitel fast nur aus wörtlicher Rede, und es werden viel zu viele Dinge beschrieben, die für die weitere Handlung völlig unwichtig sind, wie beispielsweise eine Prozession durch die Pfarrgemeinde, die zu Beginn immer wieder aufgegriffen wird. Hätte der Autor auf einige unwichtige Nebencharaktere und Beschreibungen verzichtet, so wäre der Roman an sich möglicherweise um einiges verständlicher.
Dennoch war es spannend, zu erleben, wie innerhalb weniger Tage nicht nur ein Ensemble angeworben wird, sondern zusätzlich noch mehrere Opern einstudiert werden sollen. Dabei steht natürlich immer die Frage im Raum, wie Contarini Jahre zuvor umgekommen ist. Und auch der zweite Handlungsstrang, die Suche nach Goffredo Negri, schien nicht uninteressant zu sein, auch wenn die Verbindung zunächst unklar ist. Spätestens nach den ersten einhundert Seiten hatte ich hier einen netten Musikroman mit einem Krimianteil erwartet.
Doch etwa ab der Mitte des Buches driftet der Roman durch okkulte Praktiken ins Fantasygenre ab, eine Entwicklung, die vorher durch nichts erkennbar war, nicht durch die Aufmachung des Buches, auch nicht durch den Klappentext oder eine irgendwie geartete Kennzeichnung, selbst in den wenigen Rezensionen, die ich zu dem Buch finden konnte, wird es nicht erwähnt. Und es handelt sich hier nicht um Kleinigkeiten, sondern große, handlungsbestimmende Themen: Echte Magie wie Nekromantie, Verbannung in andere Sphären, diverse Verzauberungen, Beschwörung von Naturgewalten sind nur einige Beispiele. Somit wird aus dem wörtlichen Deus ex Machina, also dem Erscheinen eines Gottes durch eine Theatermaschine, ein sprichwörtlicher.
Dies ist schade, denn dadurch wurde die Spannung, die zuvor aufgebaut wurde, völlig zerstört, logische Erklärungen braucht man von nun an nicht mehr zu erwarten.
Wie schon erwähnt erscheint auf den doch eher wenigen Seiten eine große Anzahl an Charakteren, was ein hohes Maß an Konzentration erfordert, denn ständig werden neue eingeführt, was zur Folge hat, dass die meisten der vorgestellten Figuren blasse Abziehbilder ohne Persönlichkeit bleiben, nur wenige stechen heraus. Insbesondere der Cembalist Domenico soll hier genannt werden, der unverschuldet in die Armut geraten ist und nun von Limentani als musikalischer Leiter angeworben wird. Domenico ist, obwohl er recht spät eingeführt wird, die tragende Figur des Romans, die letzten Endes unbewusst für die Verbindung der Handlungsstränge sorgt. Er ist ein recht sympathischer junger Mann, der seine Homosexualität verbirgt, um einer Strafe zu entgehen. Nur wer ihn kennt weiß von seiner sexuellen Ausrichtung.
Hier entwickelt sich auch eine Liebesgeschichte, die für den Verlauf des Romans wichtig ist, aber nicht im Detail beschrieben wird.
Zusatzmaterial ist leider überhaupt nicht vorhanden, dabei hätte es mich schon interessiert, was den Autor zu diesem Roman inspiriert hat, und auch ein musikalisches Glossar hätte nicht geschadet.

Fazit
Das war nichts. Zunächst völlig verwirrend, zwar kurzzeitig spannend, dann aber völlig absurd, mit einer Auflösung, die keine Erklärung erfordert, weil hier Magie im Spiel ist. Auf so etwas kann ich bestens verzichten.

Tanja Kinkel – Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Autor Tanja Kinkel
Titel Wahnsinn, der das Herz zerfrisst
Seitenzahl 277
Verlag Goldmann
ISBN 3-442-13179-0
Bewertung

Inhalt
Brighton, 1851: Augusta Leigh reist zu ihrer Schwägerin, um sich mit ihr auszusprechen, waren sie früher doch einmal Freundinnen. Doch der Mann, der sie beide verbindet, steht auch nach seinem Tod noch immer zwischen ihnen.
Ende des 18. Jahrhunderts: Augusta und ihr Halbbruder George werden nach dem Tod des Vaters schon als Kinder getrennt, Augusta wächst bei verschiedenen Verwandten, George, der einen verwachsenen Fuß hat, bei seiner temperamentvollen Mutter auf. Während das Mädchen sich jedoch an den jüngeren Bruder als Kleinkind erinnert, hat dieser nahezu keine Erinnerungen an seine Schwester, und jeglicher Kontakt wird von den Erwachsenen unterbunden. Erst Jahre später haben sie die Möglichkeit, sich richtig kennen zu lernen…

Meine Meinung
Tanja Kinkel ist ein Name, den man im Bereich der historischen Romane immer wieder hört. Wahnsinn, der das Herz zerfrisst ist neben Die Löwin von Aquitanien, dem zweiten Roman in diesem Doppelband, eines ihrer frühesten Werke.
Darin geht es um den berühmten englischen Dichter George Gordon, Lord Byron, und dessen Liebe zu seiner Halbschwester Augusta Leigh.
Dieser Roman ist nicht gerade einfach zu lesen. Schon von der ersten Seite an fand ich ihn recht trocken, was daran liegt, dass weitestgehend von außen erzählt wird, was geschieht, man wird als Leser nicht abgeholt und mit auf eine Reise genommen. Einblick in den Charakter der Personen bekommt man überwiegend durch Briefe, bei denen es sich um Übersetzungen von Originaldokumenten aus dem Nachlass der Personen handelt. Dies sorgt zwar für eine recht hohe Authentizität, diese Briefe lassen sich jedoch nicht gerade einfach lesen, da sie nicht nur in aus heutiger Sicht altertümlicher Sprache verfasst sind, sondern zudem noch diverse Abkürzungen enthalten.
Dadurch, dass Tanja Kinkel hier weitestgehend auf Ausschmückungen, Spekulationen und fiktive Charaktere verzichtet, wollte sich bei der Lektüre keinerlei Spannung einstellen. Dabei war mir Lord Byron als historische Person wie auch als Autor bis dahin weitestgehend unbekannt, gerade einmal den Namen hatte ich mal gehört. Wie mag es da erst Lesern ergehen, die mit der Biografie Byrons vertraut sind und somit noch nicht einmal von den Entwicklungen überrascht werden können?
Der Roman beginnt mit der Beschreibung der Kindheit von George und Augusta, ist dabei aber recht knapp gefasst. Die beschriebenen Szenen beschränken sich weitestgehend auf die Darstellung der Erziehung sowie auf Schlüsselszenen in ihrem Leben. Dadurch erscheint ihre Kindheit sehr episodenhaft, wirklich lebendig wird keine der beschriebenen Personen. Auch im späteren Verlauf des Romans konnte ich keinerlei Beziehung zu einer der Personen aufbauen, und ein Knistern zwischen den Hauptpersonen oder auch nur eine Andeutung dessen, was die beiden für einander empfunden haben könnten, konnte ich nirgendwo entdecken.
Deshalb fällt es mir auch sehr schwer, die Personen zu charakterisieren, eben weil ich kaum Persönlichkeit entdecken konnte, zu knapp sind alle Beschreibungen gehalten. Einzig Byron selbst fällt durch seine provokante Art auf.
In meiner Ausgabe, die neben diesem Roman auch Die Löwin von Aquitanien beinhaltet, sind als Zusatzmaterial ein Nachwort zur Authentizität des Romans, eine Bibliographie sowie ein Stammbaum der Byrons enthalten.

Fazit
Ich weiß nun, wer George Gordon, Lord Byron, war und wodurch er berühmt geworden ist. Gut unterhalten wurde ich jedoch bei dem Erwerb dieses Wissens nicht, vielmehr musste ich mich durch diese recht wenigen Seiten geradezu kämpfen. Ich würde dieses Buch wirklich nur Lesern empfehlen, die sich sehr für die Person Lord Byrons interessieren.

Antonia Hodgson – Der Galgenvogel

Autor Antonia Hodgson
Titel Der Galgenvogel
Originaltitel The Last Confession of Thomas Hawkins
Übersetzer Katharina Volk, Sonja Rebenik-Heidegger
Serie Tom Hawkins Band 2
Seitenzahl 460
Verlag Knaur
ISBN 978-3-426-65346-3
Bewertung

Achtung: Diese Rezension enthält kleinere Spoiler zu Das Teufelsloch

Inhalt
London, 1728: Tom Hawkins, Gentleman und Spieler, ist auf dem Weg nach Tyburn, wo der Galgen auf ihn wartet. Doch wie ist er in diese Situation geraten?
Wenige Tage zuvor: Nach seinem Aufenthalt im Marshalsea-Gefängnis lebt Tom Hawkins nun schon drei Monate mit seiner Lebensgefährtin Kitty zusammen. Doch nicht nur erregt dieses Arrangement das Missfallen der Nachbarn, auch droht ihn die Langeweile der ehrbaren Arbeit zu erdrücken.
Doch die findet ihr Ende, als im Haus des Nachbarn ein Dieb gesichtet wird und Tom in diese Ereignisse hineingezogen wird. Gleichzeitig erhält er von James Fleet, einem Anführer der Londoner Unterwelt, einen Auftrag, der einfach erscheint, aber sein ganzes Leben auf den Kopf stellt…

Meine Meinung
Der Galgenvogel ist der zweite Band der Krimireihe um den Gentleman Tom Hawkins. Es ist nicht zwingend notwendig, Das Teufelsloch gelesen zu haben, da alle relevanten Ereignisse kurz angerissen, alle wiederkehrenden Personen vorgestellt werden. Will man aber Das Teufelsloch noch lesen, sollte man dies vorher tun, da man sonst unweigerlich gespoilert wird.
Auch dieser Roman ist überwiegend als Ich-Erzählung angelegt, nur gelegentlich finden sich wenige Seiten aus Sicht eines allwissenden Erzählers, der der Handlung vorgreift und die Fahrt zum Galgen beschreibt.
Dieses Stilmittel ist recht interessant, schließlich wollte ich so von Anfang an wissen, wie sich Tom in diese Situation gebracht hat und ob er irgendwie gerettet werden kann. Auch zeigt dieser Aufbau, dass Toms Ermittlungen gründlich schief laufen, und es ist spannend, mitzuverfolgen, wie sich die Dinge entwickeln.
In diesem Roman, der auf dem Cover als historischer Thriller bezeichnet wird, geht es um zwei Ereignisse, die Tom parallel beschäftigen, dem Mord an einem Nachbarn, in dem er abwechselnd als Verdächtiger und als Ermittler beschäftigt ist, sowie der Auftrag von James Fleet, der ihn in die höchsten Kreise, genauer gesagt in den Einflussbereich der Königin, bringt. Beide Fälle sind zu Beginn nicht übermäßig spannend, der erste erscheint recht gewöhnlich, der zweite zwar abenteuerlich, aber nicht allzu gefährlich. Doch schon recht bald zeigt sich, dass hinter beiden viel mehr steckt als erwartet, und sehr oft sind die Menschen in Toms Umfeld nicht das, was sie zu sein scheinen.
Tom ist ein Schlawiner, der sich oft zu helfen weiß. Obwohl er recht schlau ist, zeigt er doch gelegentlich noch eine gewisse Naivität, so dass er in die eine oder andere Falle gerät oder von Anderen ausgenutzt wird, ohne es zu merken. Und da der Leser nie mehr weiß als Tom zum jeweiligen Zeitpunkt – vom drohenden Tod durch Erhängen einmal abgesehen – wird auch er gründlich mit an der Nase herum geführt. Bis zum Ende gab es immer wieder neue Wendungen, die mich bereits Gelesenes mit neuen Augen haben sehen lassen, so dass die Spannung nie nachgelassen hat. Auch wenn die Handlungen sehr verworren sind, sind sie doch nie unlogisch oder unglaubwürdig beschrieben.
Doch Tom ist eben nicht nur ein schlauer junger Mann mit Beziehungen zur Londoner Unterwelt, er hat viele Facetten, die ihn mal richtig sympathisch, dann aber wieder unsympathisch erscheinen lassen. So liebt er seine Kitty sehr, er kann es nicht ertragen, dass sie von Nachbarn als seine Hure gesehen wird und würde sie gerne heiraten, dann wiederum verprasst er ihr Geld im Spielsalon und bringt sich immer wieder in Schwierigkeiten. Doch auch Kitty ist eine Person, die überzeugt, obwohl man sie nur aus Toms Beschreibungen sieht. Sie weiß, was sie will und kann sich gut durchsetzen, ist hilfsbereit, wenn Hilfe benötigt wird, und sie ist temperamentvoll und hält sich auch nicht zurück, wenn deutliche Worte angebracht sind.
Neben diesen beiden gibt es noch eine Reihe anderer Nebenfiguren, unter anderem den jungen, wortkargen Sam Fleet, der bei Tom und Kitty wohnt, die sehr gut ausgearbeitet sind und in ihrer Darstellung überzeugen.
Der Schreibstil ist angenehm, die Übersetzung gelungen. Auffällig sind kursiv gedruckte Betonungen, die man fast auf jeder Seite vorfindet, die mir manches Mal unnötig erschienen sind, die aber wohl dazu passen, dass es sich um eine Ich-Erzählung handelt.
Über den historischen Hintergrund dieses Thrillers, die „Gefangenschaft“ von Henrietta Howard, der Mätresse des Königs, habe ich zuvor noch nie etwas gehört, jedoch scheint er sehr gut recherchiert zu sein. Ein sehr ausführliches, absolut lesenswertes Nachwort geht auf die Hintergründe ein, doch auch auf einige andere Ereignisse wird hier Bezug genommen.

Fazit
Ein lesenswerter historische Thriller, bei dem der Leser immer wieder an der Nase herumgeführt wird. Vielleicht ist er nicht ganz so spannend wie der erste Band, da der Einstieg recht gewöhnlich erscheint, jedoch weiß er bis zum Ende zu fesseln.

Vielen Dank an Droemer Knaur für das Rezensionsexemplar!

Julia Kröhn – Distel und Rose

Autor Julia Kröhn
Titel Distel und Rose
Seitenzahl 575
Verlag Bastei Lübbe
ISBN 978-3-404-17306-8
Bewertung

Inhalt
Schottland, 1791: Die junge Engländerin Magdalene hat ihre vertraute Heimat verlassen, um in die schottischen Highlands zu ziehen, zu ihrem Ehemann, den sie kaum kennt und mit dem sie nichts verbindet. Der Kontakt zu den Bewohnern der Highlands lässt ihre Vorurteile der Wildnis gegenüber schrumpfen, doch die Kluft zu ihrem Mann wird immer größer. Doch dann entdeckt sie in der Bibliothek ein altes Pergament, das viele Fragen aufwirft.
1078: Die junge Northumbrierin Aelswith wächst am Hof der schottischen Königin Margaret auf. Doch eines Tages wird sie nach einem Streich von zwei Wanderheilern entführt. Was führen die beiden im Schilde?

Meine Meinung
Romane mit zwei verschiedenen Handlungssträngen zu verschiedenen Zeiten, die durch einen bestimmten Gegenstand miteinander verbunden sind, gibt es nicht gerade wenige. Solche, bei denen beide weit in der Vergangenheit liegen, findet man dagegen eher selten. Doch genau so ein Roman liegt mit Distel und Rose vor.
Während der frühere Handlungsstrang auch für sich gelesen werden kann, nimmt der spätere immer wieder Bezug auf diesen, jedoch nicht in einem solchen Maße, dass er völlig davon abhängig wäre, vielmehr wird hier eine eigene Geschichte erzählt, die auch ohne diesen Bezug funktioniert hätte. Dadurch, dass sich beide Geschichten abwechseln und die Kapitel immer wieder mit Cliffhängern enden, bleibt die Spannung stets auf einem hohen Niveau.
Beide Teile der Handlung behandeln interessante Zeiten, zu denen ich jedoch bisher wenig gelesen habe.
So beschäftigt sich der später spielende Teil mit der Zeit der Clearances, der Umsiedlung der Highlander an die Küsten und der Nutzung der ehemaligen Ackerflächen als Weiden, während der frühere sich mit der Aufklärung eines Geheimnisses beschäftigt, das mit der Nachfolge Macbeth‘ zu tun hat.
In beiden Handlungssträngen scheinen die Rollen klar verteilt zu sein: David als Vertreter der Oberschicht, der die Armen unterdrückt, Seòras als deren Sprachrohr, als Rebell, der in Magdalene, dem naiven Bücherwurm, romantische Vorstellungen weckt. Und im 11. Jahrhundert lernen wir Aelswith als junge, manchmal etwas vorlaute junge Frau kennen, die gegen ein kleines Abenteuer nichts einzuwenden hat, Taraín als jungen, gutaussehenden Wanderheiler, der sehr sympathisch erscheint, aber auch Hlothere, den angelsächsischen Ritter, der die Gruppe verfolgt.
Doch nicht immer ist alles so, wie es zu Beginn den Anschein erweckt, die zu erwartenden Liebesgeschichten eingeschlossen, man darf sich also auf die eine oder andere interessante Wendung freuen. Julia Kröhn spielt hier mit den Erwartungen der Leser, die durch Klischees und typische Romanelemente geprägt sind, und erzählt so eine ganz eigene Geschichte, die weitestgehend stimmig ist, wenn auch die eine oder andere falsche Fährte recht weit hergeholt oder nicht ganz in sich passen zu scheint. Eine für die Handlung sehr wichtige Frage wird auch nur am Rande beantwortet, so dass man diese sehr schnell überlesen kann. Hier hätte ich mir eine deutlichere Aufklärung gewünscht.
Auch zum Thema Macbeth hätte ich mir mehr erhofft. Es wird zwar gesagt, dass dieser schottische König als sehr grausam beschrieben wird – so erinnert sich Magdalene an Vorführungen von Shakespeares Stück, die ihr Schauer über den Rücken laufen lassen, und Aelswith wird über Ströme von Blut unterrichtet, für die Macbeth verantwortlich gewesen sein soll -, Genaueres wird jedoch nicht gesagt, also wie genau seine Grausamkeit sich geäußert haben und welche Untaten er vollbracht haben soll. Dies muss man selbst nachlesen, insbesondere bei Shakespeare, weil dieser das Bild maßgeblich geprägt hat, um eben dieses zu kennen. Kennt man es aber nicht, kann auch dieser Ansatz der Rehabilitation nicht funktionieren, der eben genau dieses Bild zum Ausgang nimmt.
An Zusatzmaterial bietet das Buch eine farbige Karte Schottlands, kurze Hinweise zur Aussprache einiger Namen sowie historische Anmerkungen.

Fazit
Eine interessante Verquickung von zwei Geschichten, die beide ihren Reiz haben und auch alleine stehen könnten. Gerne hätte es bei beiden mehr Details zum historischen Hintergrund geben dürfen. Man sollte sich zumindest am Rande für schottische Geschichte interessieren, denn wer den Roman liest, weil er nette Liebesgeschichten erwartet, könnte enttäuscht werden.

Vielen Dank an Bastei Lübbe und Leserunden.de für das Leserundenexemplar!

Sonia Marmen – Dolch und Lilie

Autor Sonia Marmen
Titel Dolch und Lilie
Originaltitel La Rivière des promesses
Übersetzer Barbara Röhl
Serie Cœur de Gaël Band 4
Seitenzahl 860
Verlag Blanvalet
ISBN 978-3-442-36924-9
Bewertung

Achtung: Diese Rezension enthält Spoiler zu Schild und Harfe!

Inhalt
Kanada, 1764: Gut drei Jahre sind seit den Ereignissen in Québec vergangen. Isabelle ist mit einem wohlhabenden Notar verheiratet, den ihr Sohn Gabriel als seinen Vater ansieht. Alexander Macdonald dagegen ist nach dem Krieg aus der Armee entlassen worden und will nun als Trapper genügend Geld verdienen, um sich ein Leben in der Neuen Welt aufzubauen.
Als sich die beiden zufällig begegnen, müssen sie erkennen, dass die Zeit ihre Liebe zueinander nicht hat verlöschen lassen. Doch Alexander lehnt ein erneutes Aufleben der Beziehung ab, kennt er doch die Gründe nicht, die Isabelle in die Ehe getrieben haben. Und auch Isabelles Mann und ihr Bruder wollen mit allen Mitteln verhindern, dass Alex erneut einen Platz in Isabelles Leben einnimmt.

Meine Meinung
Während zwischen den vorhergehenden Bänden der Reihe immer ein Sprung von einer Generation zur nächsten lag, handelt es sich hier um einen nahezu direkten Nachfolger des dritten Bandes der Reihe. Aus diesem Grund würde ich nicht empfehlen, diesen vierten und letzten Band ohne Vorkenntnisse zu lesen.
Auch wenn sich Isabelle und Alexander einige Jahre nicht gesehen und sich ihre Lebensumstände während dieser Zeit gravierend verändert haben, so sind sie doch im Grund dieselben geblieben. Alex ist noch immer der nahezu mittellose Fremde aus Schottland, während Isabelle eine Frau aus gutem Hause ist, die sich auch gelegentlich entsprechend überheblich verhält. Beide Charaktere sind nicht gerade die typischen Romanhelden, sind sie doch alles Andere als Sympathieträger, auch wenn es mir in diesem Band leichter gefallen ist, sie zu mögen, als es im Vorgänger der Fall war.
Es handelt sich hier nicht um einen typischen historischen Liebesroman, denn das Ziel der beiden Hauptpersonen ist zumindest vorerst nicht eine gemeinsame Zukunft, sondern vielmehr, den jeweils anderen zu vergessen. Und so lebt Isabelle ihr sorgenfreies Leben, während Alex noch dabei ist, sich eine Zukunft zu erarbeiten und sich dabei auch anderen Frauen zuwendet. Doch gibt es immer wieder neue Wendungen, die dazu führen, dass die beiden einander nicht vergessen können. Die Autorin schreckt hier auch nicht davor zurück, Charaktere, liebgewonnene wie verhasste, sterben zu lassen. Dies sorgt für Abwechslung und hebt das Buch aus der breiten Masse der historischen Romane heraus, in denen kaum eine wichtige Person zu Schaden kommt, auch wenn es für mich gerne eine Wendung weniger hätte sein können.
Nicht immer fand ich die Entscheidungen der Charaktere nachvollziehbar. So kann ich nicht verstehen, warum Isabelle Alex nicht erklärt hat, warum sie jemand anderen geheiratet und nicht auf ihn gewartet hat, und auch Etiennes Hass und seine daraus folgenden Taten sind für mich schwer verständlich. Andererseits sind sie auch nicht absolut unlogisch, sondern einfach nur menschlich.
Weite Teile der Handlung spielen fern der Zivilisation, man erfährt nicht wenig über die Indianerstämme und über die widersprüchliche Indianerpolitik Kanadas. Die Indianer werden hier nicht als reine Opfer dargestellt, auch diverse Grausamkeiten werden dem Leser nicht vorenthalten.
Sprachlich unterscheidet sich dieser Roman nicht von den Vorgängern. Auffällig ist auch hier die häufige Verwendung von englischer oder gälischer, gelegentlich auch der einen oder anderen indianischen Sprache in der wörtlichen Rede, die dann direkt im Anschluss ins Deutsche übersetzt wird. Auch Fußnoten zu diversen Begriffen findet man recht häufig, wobei die meisten für das Verständnis eher nebensächlich sind.

Fazit
Wer zumindest den Vorgänger kennt und mag, kann hier wenig falsch machen. Mir hat dieser Roman auf jeden Fall wieder ein wenig besser gefallen, auch wenn es für mich dann die eine oder andere Wendung zu viel war. Somit handelt es sich hier um einen befriedigenden Abschluss der Reihe, den ich in der Form nach dem ersten Band nie erwartet hätte. Mit einer Highland-Saga hat dieses Buch aber nichts mehr zu tun.