Archiv für den Monat: Mai 2019

Bernard Cornwell – Die Herren des Nordens

AutorBernard Cornwell
TitelDie Herren des Nordens
OriginaltitelThe Lords of the North
ÜbersetzerKarolina Fell
SerieSaxon Chronicles Band 3
Seitenzahl476
VerlagRoRoRo
ISBN978-3-499-24538-1
Bewertung

Achtung: Rezension enthält Spoiler zu den ersten Bänden der Reihe!

Inhalt
Wessex, Sommer 878: Nur wenige Wochen zuvor hat Uhtred viel geopfert, um Alfreds Königreich zu retten, doch sein Lohn ist ein winziges Stück Land. Und so entschließt sich der enttäuschte Krieger, Wessex und König Alfred den Rücken zu kehren und sein Glück in seiner Heimat Northumbrien zu suchen, um endlich Rache am Tod seines Ziehvaters zu nehmen. Doch schon der Weg dorthin gestaltet sich abenteuerlich, denn nach Alfreds Sieg werden Dänen in dessen gesamtem Königreich gnadenlos verfolgt.
Uhtreds Schicksal ändert sich schlagartig, als er auf Guthred trifft, einen dänischen Sklaven, der behauptet, König von Northumbrien zu sein…

Meine Meinung
Schon die ersten beiden Bände um den Krieger Uhtred, der von Dänen aufgezogen wurde und sein Erbe an seinen Onkel verloren hat, haben mich fesseln können. Dieser dritte Band jedoch hat mich beim Lesen nicht mehr losgelassen.
Basierten die ersten beiden Bände der Reihe noch weitestgehend auf tatsächlichen historischen Ereignissen, so ist über Northumbrien zu dieser Zeit so wenig bekannt, dass Cornwell seiner Fantasie hier freien Lauf lassen konnte. Und dennoch fühlt sich die Geschichte für mich so an, als hätte sie so passieren können – immer aus dem sehr subjektiven Blickwinkel eines Kriegers beschrieben, der aus seinen Vorlieben und Abneigungen keinen Hehl macht.
Der Auftakt der Handlung entspricht völlig dem Bild, das man von Uhtred in den vorherigen Bänden gewinnen konnte: Er fühlt sich ungerecht behandelt, was zumindest zum Teil auch seine Schuld ist, und so kehrt er seinem bisherigen Dienstherr den Rücken und sucht eine neue Herausforderung, die er auf seine Art besteht.
Im Zentrum dieser Herausforderung steht Guthred, dem Uhtred auf einem Sklavenmarkt begegnet und der schwört, König zu sein, ein König für Northumbrier und Dänen, Christen und Heiden gleichermaßen. Fasziniert von diesem recht naiven jungen Mann, der stets frohen Mutes ist und den selten etwas aus der Ruhe bringen kann, begleitet Uhtred ihn nach Eoferwic und tritt in seine Dienste ein, was insbesondere von den Christen an Guthreds Hof skeptisch betrachtet wird. Und dann ist da auch noch Guthreds Schwester Gisela…
Zu Uhtreds Charakter muss hier wohl nicht mehr viel gesagt werden. Als Ich-Erzähler wird er durch seine Taten charakterisiert, und das nicht unbedingt immer positiv. Er lügt und betrügt, und auch Mord ist nicht unter seiner Würde. Und trotzdem ist für ihn Ehre ein sehr wichtiges Konzept, das er achtet und respektiert, an einer zentralen Stelle wird dadurch sogar sein Leben bestimmt. Guthred dagegen wird durch Uhtreds Augen beschrieben, und dieser sieht nicht nur seine positiven Seiten. Dennoch ist schnell klar, dass der junge König ein sehr unsicherer Mann ist, der es allen Parteien recht machen will, weil er geliebt werden will. Dabei kommt er nicht umhin, auch den einen oder anderen Fehler zu machen, was er gelegentlich zu spät einsieht. Er ist liebenswert, sympathisch, ein Gegenpol zu Uhtred, den ich so manches Mal hätte schütteln können.
Die Handlung ist durchgängig spannend erzählt, auch wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt immer mal wieder Monate auf wenigen Seiten zusammengefasst werden. Es gibt hier nicht den einen großen Handlungsbogen, sondern mehrere kleine, die aber zusammengenommen eine zusammenhängende Geschichte erzählen. Auch wenn diese für sich stehen könnte, würde ich nicht empfehlen, mit diesem Band in die Reihe einzusteigen, sondern von vorn zu beginnen.
Es gibt den einen oder anderen Kampf, kleinere und größere Scharmützel, und mitten drin immer Uhtreds taktischer Verstand. Wer die vorherigen Bände kennt, wird sich nicht wundern, dass es auch hier immer wieder mal blutig wird und Cornwell dies sehr detailverliebt beschreibt.
An Zusatzmaterial findet sich hier wie schon in den vorherigen Bänden eine Liste zu alten und aktuellen Ortsnamen, eine Karte Englands sowie ein Nachwort, in dem der Autor auf Fakt und Fiktion eingeht.

Fazit
Auch der dritte Band über Uhtred konnte mich restlos begeistern, denn selbst wenn die Handlung dieses Mal weitestgehend fiktiv ist, so ist sie doch spannend und glaubwürdig beschrieben.

Andrea Schacht – Der Siegelring

AutorAndrea Schacht
TitelDer Siegelring
SerieRing-Trilogie Band 1
Seitenzahl447
VerlagBlanvalet
ISBN978-3442359905
Bewertung

Inhalt
Köln, Gegenwart: Nach dem Unfalltod ihres Vaters erfährt Anahita Kaiser, genannt Anita, dass sie eine Halbschwester in ihrem Alter hat. Schnell freunden sich die beiden Frauen an. Im Gespräch erfahren sie, dass ihr Vater ihnen in ihrer Kindheit Geschichten erzählt hat, die zusammengesetzt eine Geschichte aus der Römerzeit ergeben.
Colonia Claudia Ara Agrippinensium, 1. Jahrhundert nach Christus: Die gallische Töpferin Annik, die ihre gesamte Familie bei einem Unwetter verloren hat, findet eine Anstellung in der Nähe der Colonia im Haus des Stadtrats Gaius Valerius Corvus, in dessen Frau Ulpia Rosina sie eine gute Freundin findet. Doch die Germanen sind unruhig, ein Aufstand scheint bevorzustehen…

Meine Meinung
Als mir dieser Auftakt einer Trilogie vor etlichen Jahren in die Hände gefallen ist, war mir Andrea Schacht bereits als Autorin kurzweiliger zeitgenössischer Romane mit Fantasyanteil bekannt. Das vorliegende Buch ist einer ihrer ersten Ausflüge in den Bereich der historischen Romane, doch auch hier ist ein mystischer Aspekt enthalten, nämlich die Seelenwanderung oder Wiedergeburt. Man muss nicht daran glauben, um diese Romanreihe genießen zu können, wer aber gar nichts mit dem Thema anfangen kann, sollte sie besser meiden.
Die Rahmenhandlung um Anita und Rose zieht sich über alle drei Bände der Reihe und wird aus der Ich-Perspektive beschrieben. Man erfährt, wie Anita den Alltag neu zu meistern lernt, mit ihren Verletzungen zu kämpfen hat, und wie sie und ihre Halbschwester mehr und mehr in die Geschichte hineingesogen werden.
Mit jedem Band der Trilogie wird jedoch eine andere Geschichte aus der Vergangenheit zusammengetragen, hier ist es eine aus dem ersten Jahrhundert nach Christus. Die Handlung aus der Römerzeit macht einen Großteil des Romans aus, wird jedoch immer wieder durch Szenen aus der Gegenwart unterbrochen.
Den historischen Hintergrund bilden die Konflikte zwischen gallischen und germanischen Stämmen auf der einen und den Römern auf der anderen Seite, und auch einen kleinen Einblick in die politische Lage kann der Leser erhaschen, da der Statthalter Trajan als Kandidat als nächster Kaiser gehandelt wird. Der Schwerpunkt liegt jedoch eher auf alltäglichen Dingen, die zwar nicht sehr ausführlich, aber dennoch erstaunlich bildlich beschrieben werden.
Die Geschichte die hier Stück für Stück zusammengetragen wird, ist eher gemächlicher Art, man kann auch sagen, dass sie so vor sich hin plätschert. Liebesszenen werden nur umschrieben, Spannung ist eher mäßig vorhanden, auch große Überraschungen gibt es wenige. Dazu kommt, dass hier in den Dialogen sehr viel mit Umgangssprache gearbeitet wird, was für einen historischen Roman doch sehr ungewöhnlich ist. Insbesondere Valeria Gratia, ein Mädchen im Teenageralter, spricht und benimmt sich eher so, wie es heutige Teenager tun würden. Und dennoch habe ich dieses Buch recht gerne gelesen, fliegt man durch diese unkomplizierte Erzählweise doch geradezu durch die Seiten.
Auch wenn die meisten Charaktere aus der Gegenwart Entsprechungen in der Vergangenheit haben, handelt es sich nicht um vollständige Spiegelbilder, es gibt genügend Unterschiede in Alter, Verwandtschaftsgrad und Charakter, so dass es schon interessant war, die genauen Verbindungen ausfindig zu machen. Und so sind manche Charaktere, die man meint, zugeordnet zu haben, doch für eine Überraschung gut.
In der Antike beispielsweise ist Annik die verständnisvolle Gallierin vom Ende der Welt, während Ulpia Rosina Äußerlichkeiten zu schätzen weiß und sich von Hässlichem abgestoßen fühlt, in der Gegenwart dagegen ist solch ein negativer Charakterzug bei Rose nicht zu erkennen, Anita jedoch scheint Annik sehr gut zu entsprechen.
Nicht ganz nachvollziehen kann ich, wie schnell sich Anita und Rose angefreundet haben, nachdem sie sich gerade das erste Mal begegnet sind. Aber anders hätte sich die Handlung der Vergangenheit nicht so schnell entwickeln können.
Auch so schon wird recht viel Zeit auf ehe wenigen Seiten abgehandelt. Nicht nur in der Vergangenheit vergehen viele Wochen, ohne dass darüber berichtet wird, auch in der Gegenwart werden immer wieder Wochen übersprungen.
Der Schreibstil ist, wie schon erwähnt, recht locker und sehr leicht zu lesen. In kürzester Zeit habe ich diesen Roman nun zum wiederholten Male gelesen, ich habe kaum bemerkt, wie schnell ich durch die Seiten geflogen bin. Auffällig ist jedoch die häufige Verwendung von wörtlicher Rede, nicht nur über kurze Absätze, sondern teilweise über recht viele Zeilen, die eher spärlich mit Hinweisen darüber bestückt sind, wer gerade redet. In der Regel ist dies offensichtlich, manchmal musste ich aber schon etliche Zeilen wiederholt lesen, weil etwas für mich nicht schlüssig war, bis ich dies wieder sortiert hatte.
Der Lesespaß wird leider etwas durch kleinere Fehler getrübt, wenn beispielsweise mal Anitas rechter, dann wieder der linke Arm verbrannt ist. Das hätte im Lektorat auffallen können.
Zusatzmaterial ist eher spärlich vorhanden, neben einem recht amüsant geschriebenen Personenregister gibt es nur ein winziges Vorwort.

Fazit
Ein netter Roman mit mystischen Bezügen, der keine allzu große Konzentration fordert. Schnelle unterhaltsame Lektüre für zwischendurch, nicht allzu tiefgründig, aber das soll wohl so sein. Zum Abschalten genau das Richtige.