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Neal Stephenson – Confusion

AutorNeal Stephenson
TitelConfusion
OriginaltitelConfusion
ÜbersetzerJuliane Gräbener-Müller, Nikolaus Stingl
SerieBarock-Trilogie Band 2
Seitenzahl1018
VerlagGoldmann
ISBN978-3-442-46662-7
Bewertung

Achtung: Enthält Spoiler zu Quicksilver!

Inhalt
Barbarei-Küste, 1689: Jack Shaftoe, König der Landstreicher, von der Syphilis einige Jahre zuvor seines Verstandes beraubt, findet sich plötzlich geheilt als Galeerensklave wieder. Doch Jack wäre nicht Jack, wenn es ihm nicht gelänge, mit ein paar Freunden ein Komplott zu ersinnen, um der Sklaverei zu entrinnen.
In der Zwischenzeit gerät Eliza, Gräfin de la Zoer, unter Druck, und sie ist gezwungen, ihr Vermögen der französischen Krone zur Verfügung zu stellen. So in die Ecke gedrängt nutzt sie alle ihr verfügbaren Mittel, ihre Männerbekanntschaften und sonstige Freundschaften, um sich zu gegebener Zeit rächen zu können…

Meine Meinung
Wie schon in Quicksilver enthält das Buch Confusion nicht nur einen Roman, sondern zwei, die die Namen Bonanza und Das Komplott tragen. Nur spielen diesmal diese beiden Romane nicht nacheinander, sondern parallel, so dass hier immer zwischen beiden hin und her gesprungen wird. Sie sind verwoben, im Englischen con-fused, daher der Titel. Zu richtigen Überschneidungen kommt es dabei so gut wie gar nicht, jedoch haben einzelne Ereignisse aus dem einen Roman Auswirkungen auf den anderen, so dass es schon sinnvoll ist, die von Stephenson vorgegebene Reihenfolge einzuhalten. Dabei sind beide Romane dennoch auch eigenständig lesbar, weshalb es sich hier nicht bloß um zwei Handlungsstränge eines einzigen Romans handelt.
Die Handlung des Buches ist sehr komplex und verlangt dem Leser so einiges ab. Nicht nur geht es in die hohe Politik, auch wirtschaftliches und wissenschaftliches Interesse sollten vorhanden sein, auch wenn die Naturwissenschaft im Vergleich zum ersten Band ein wenig in den Hintergrund tritt. So wird hier über mehrere Seiten erklärt, wie ein auf Primzahlen basierendes System für die Sortierung von Büchern in einer Bücherei funktionieren soll, da wird der Handel mit Anleihen und Leerverkäufen erklärt, und auch alchimistische Vorstellungen spielen eine Rolle. Auf über tausend Seiten ist es dazu noch so manches Mal schwierig, den Überblick über die große Anzahl an Charakteren zu behalten, da es auch kein Personenregister gibt, welches hier gute Dienste getan hätte, zumal auch viele Personen aus dem Vorgängerband vorkommen und diese nicht noch einmal neu vorgestellt werden. Wenn also die Lektüre des ersten Bandes bereits längere Zeit her ist, wie es bei mir der Fall war, ist der Einstieg nicht gerade einfach.
Über mehrere Monate habe ich mich durch dieses Werk gekämpft, manche Tage habe ich nur zehn Seiten gelesen, weil sich alles so zog, an anderen Tagen waren es dann wieder fast hundert Seiten am Stück, weil es wieder richtig spannend wurde, um es dann doch wieder beinahe abzubrechen.
Stephenson spielt hier mit der Historie. Während manche Charaktere und Ereignisse historisch belegt sind, entstammt ein großer Teil der Fantasie des Autors. Manche Dinge, die hier erwähnt werden, sind völlig an den Haaren herbeigezogen. So gibt es einen Charakter, der offensichtlich am Tourette-Syndrom leidet und zu einem Heiligen mit diesem Namen beten soll. Jedoch leitet sich der Name dieser Erkrankung von einem Arzt aus dem 19. Jahrhundert ab, einen Heiligen, der eben dieses Krankheitsbild zeigt und zudem diesen Namen trägt, wird es also kaum gegeben haben. Dies und viele andere, ähnlich geartete Beschreibungen zeigen, dass der Roman eher in einer Art Paralleluniversum spielt als in unserer Welt, dass es sich eher um Alternate History als um einen echten historischen Roman handelt. Man sollte nicht alles für bare Münze nehmen, was beschrieben wird, dennoch kann man viel lernen, wenn man sich auf die teilweise extrem ausführlichen Beschreibungen einlässt.
Wie schon im Vorgänger wechselt Stephenson immer wieder den Erzählstil. Manche Kapitel bestehen nur aus aneinandergereihten Briefen, manche wieder ausschließlich aus wörtlicher Rede. In anderen mit vielen und langen Dialogen springt der Autor mitten drin in einen Drehbuchstil. Von einer einheitlichen Erzählweise kann also keinesfalls die Rede sein.

Fazit
Der zweite Band der Barock-Trilogie ist stellenweise einfach genial, dann wieder extrem langweilig, dazu sehr komplex. Auf über tausend eng bedruckten Seiten den Überblick zu behalten ist nicht gerade einfach. Wer sich gerne mit diversen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Themen im 17. Jahrhundert auseinandersetzen mag und dabei auch einen Ausflug in das Genre der Alternate History nicht scheut, sollte genauer hinschauen (dann aber bitte mit dem ersten Band anfangen und die Reihe möglichst am Stück lesen), alle anderen sollten von diesem Wälzer doch lieber Abstand nehmen.