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Maren Winter – Das Lied des Glockenspielers

AutorMaren Winter
TitelDas Lied des Glockenspielers
Seitenzahl447
VerlagRoRoRo
ISBN978-3-499-24993-8
Bewertung

Inhalt
Lübeck, 1665: Früher ein aktives, vorlautes Mädchen, ist die junge Kaufmannstochter Cäcilie seit einigen Jahren verstummt und nach außen hin völlig verrückt. Ihr Onkel ist bestrebt, sie in ein Kloster zu stecken, während ihr Vater sie gerne an ihren Vetter Thiedemann verheiraten würde, der sie allerdings wie eine Schwester liebt.
Liron Dulcius, ein musikalischer Habenichts, ist nach Lübeck gekommen, um in der Kirche St. Marien um Arbeit als Kalkant oder gar Glockenspieler zu bitten. Als er auf Cäcilie trifft, ist er sofort fasziniert. Er erkennt, dass sie nicht wirklich stumm ist und hofft, ihr durch seine Musik ihre Stimme zurückzugeben.

Meine Meinung
Normalerweise bin ich jemand, der bei einem Roman hauptsächlich auf den Inhalt und weniger auf den Schreibstil achtet. Über Details lese ich in der Regeln einfach hinweg, Aufmerksamkeit schenke ich dem Stil meist nur dann, wenn er sehr kompliziert und dadurch das Buch schwer zu lesen ist.
Hier jedoch konnte ich kaum anders, denn der Roman handelt nicht nur von Musik, sondern man kann sie zwischen den Zeilen fast hören. Es werden immer wieder Geräusche beschrieben, selbst die ganz leisen Töne haben hier eine große Wirkung. Auch die Namen der Hauptpersonen leiten sich von den Bezeichnungen für verschiedene barocke Instrumente ab. Dies fand ich im Nachhinein ein wenig übertrieben, doch da mir die meisten Begriffe nicht bekannt waren, obwohl ich selbst Barockmusik sehr gerne mag, hat es mich während des Lesens nicht weiter irritiert.
Zudem wird immer wieder beschrieben, wie musiziert wird. Hier geht es um die Orgel, da um das Glockenspiel. Ich kann mir vorstellen, dass diese Szenen für Menschen, die sich wenig mit Musik und den Instrumenten dieser Zeit auskennen, langweilig oder gar verwirrend sein könnten, auch wenn die Fachbegriffe im Anhang erklärt werden.
Die Handlung selbst ist jetzt nicht groß überraschend und beinhaltet eigentlich wenig Neues: Durch Musiktherapie soll eine junge Frau ein Trauma überwinden. Doch was genau damals eigentlich passiert ist bleibt lange im Dunkeln, niemand scheint etwas zu wissen. Aufmerksame Leser werden aber schon früh erste Hinweise entdecken, wodurch die Auflösung recht vorhersehbar wird. Trotzdem ist die Geschichte zu Beginn nett zu lesen und wird gegen Ende immer spannender. Sie verläuft über etwa ein Jahr mit gelegentlichen Pausen. Leider gibt es nur selten Angaben zur Jahreszeit, so dass man genau lesen muss, um zu erkennen, wie viel Zeit zwischen den Kapiteln vergangen ist.
Gut gefällt mir, dass die Charaktere nicht einseitig beschrieben werden, sondern verschiedene Seiten zeigen. Ein Beispiel dafür ist die Magd Trine, die gerne mit Männern zusammen ist, Cäcilie aber auch eine gute Freundin ist. Und Thiedemann ist auch sehr schwer einzuordnen, mal verhält er sich absolut standesgemäß, hochnäsig den niedriger Gestellten gegenüber, dann wiederum pflegt er einen sehr kameradschaftlichen Umgang mit ihnen, so dass diese nie wissen, woran sie gerade mit ihm sind.
Liron als Hauptperson hat mir besonders gut gefallen. Er ist extrem musikalisch und kann kleinere Ungenauigkeiten heraushören, obwohl er erst spät an die Musik herangeführt wurde. Zudem ist er ein guter, geduldiger Zuhörer, der auch in die Menschen hineinhört, wenn diese stumm bleiben – eine gute Voraussetzung bei der Arbeit mit einem stummen Mädchen.
Cäcilie selbst ist eine sehr interessante Person. Nach außen hin gibt sie sich gelegentlich extra sehr verwirrt, da ihre Gedanken aber dem Leser bekannt sind wird klar, dass sie ihre Ziele verfolgt.
Aus dieser Zusammenstellung wird klar, dass es hier wohl zu einer Liebesgeschichte kommen wird. Diese steht aber auch eher im Hintergrund, nur gegen Ende wird mehr Gewicht darauf gelegt.
Eingebettet ist die Handlung in die Geschichte Lübecks, die Konflikte zwischen den Handwerkern und den Händlern spielen eine größere Rolle und dienen nicht bloß als historische Kulisse. Die Stadt selbst ist lebendig beschrieben, man trifft auf Menschen aus den verschiedensten Schichten.

Fazit
Inhaltlich bietet der Roman wenig Neues, ist dabei aber sehr nett und auch spannend erzählt. Ich hatte meine Freude mit diesem Buch, kann mir aber vorstellen, dass es für Leser ohne Musikkenntnisse eher uninteressant sein könnte.

Derek Meister – Rungholts Ehre

AutorDerek Meister
TitelRungholts Ehre
SerieRungholt Band 1
Seitenzahl544
VerlagBlanvalet
ISBN978-3-442-37484-7
Bewertung

Inhalt
Lübeck, 1390: Der fünfzehnjährige Daniel ist Lehrling bei dem Händler und Ratsmitglied Rungholt und in dessen jüngste Tochter Mirke verliebt. Die erwidert seine Liebe, doch soll sie in wenigen Tagen mit Attendorn, einem wohlhabenden Händler und ehemaligen Bürgermeister der Stadt, verlobt werden.
Bei einem ihrer heimlichen Treffen stoßen Daniel und Mirke auf eine Leiche, die in der Trave treibt – ausgerechnet mit diesem Mann ist Daniel am Vorabend vor Zeugen aneinander geraten! Und so entschließt er sich, sein Heil in der Flucht zu suchen, wird aber sofort als Täter festgesetzt.
Um die Ehre seines Hauses wiederherzustellen, mischt sich Rungholt in die Ermittlungen ein, doch erweist sich dies als schwieriger als angenommen…

Meine Meinung
Bei diesem ersten Band einer Reihe handelt es sich um einen typischen Mitelalterkrimi. Neben dem Mordfall, der das direkte Umfeld des Ermittlers betrifft, spielen auch persönliche Dinge mit in die Handlung des Romans hinein. Dies sind in diesem Fall die Vorbereitungen für die Verlobungsfeier, die Umgestaltung des Hauses sowie einfach Zahnschmerzen des Protagonisten, aber auch Einblicke in seine Vergangenheit, die nicht direkt mit der Ermittlung zu tun haben, füllen die Seiten. Dies führt zu einer eher gemächlichen Ermittlungsarbeit – an einigen Stellen sogar zu gemächlich für mein Empfinden, steht Rungholt doch unter starkem Zeitdruck.
Zudem finde ich es unverständlich, dass die Vorbereitungen für die Verlobung einfach so weiter verlaufen, wenn ein Mitglied des Haushalts, noch dazu jemand, der in Rungholts Augen der Braut nahesteht wie ein Bruder, kurz vor der Hinrichtung steht. Ich hätte eher erwartet, dass eine Verschiebung zumindest in Erwägung gezogen wird, stattdessen wird einfach so getan, als wäre nichts passiert.
Rungholt ist zudem nicht unbedingt der Mensch, den man sich in der Rolle des Ermittlers vorstellt. Mit knapp fünfzig Jahren und etwa drei Zentnern Gewicht ist er kaum in der Lage, körperliche Anstrengungen zu bewältigen, zudem ist er kurzsichtig und verlegt regelmäßig seine Brille. Auch seine Persönlichkeit kann dies nicht ausgleichen, er ist aufbrausend und wird schnell handgreiflich, wenn etwas nicht nach seinem Willen geschieht. Ereignisse in seiner Vergangenheit haben ihn stark geprägt und beeinflussen ihn noch immer. Andererseits verfügt er über einen wachen Verstand sowie Vorwissen über Verhörmethoden, welches er ebenfalls in seiner Vergangenheit erworben hat. Auf die Vergangenheit wird nur andeutungsweise eingegangen, man erhält eine grobe Vorstellung darüber, was er erlebt haben könnte, doch aufgeklärt werden die Ereignisse nicht.
Die Krimihandlung ist relativ spannend beschrieben. Zwar bekommt man als Leser recht bald einen möglichen Täter präsentiert und weiß in dem Moment mehr als Rungholt, die Motive jedoch bleiben sehr lange unklar, zudem gibt es immer wieder interessante Wendungen. Andererseits gibt es gelegentlich Logiklöcher. So halte ich es für unwahrscheinlich, dass ein Händler aus Lübeck einen anderen, der zudem Ratsmitglied ist, nicht zumindest einmal gesehen hat. Selbst bei etwa 19.000 Einwohnern, die zu diesem Zeitpunkt in Lübeck gewohnt haben dürften, sollten Gildebrüder einander oberflächlich kennen.
Größtenteils ist der Roman in Hochdeutsch gehalten, nur gelegentlich wird Dialekt eingebunden. Einer der Freunde Rungholts wirft auch gerne mit lateinischen Sprichwörtern um sich. Ein Glossar hilft bei der Übersetzung, meist habe ich allerdings diese Sätze einfach ignoriert.

Fazit
Ein unterhaltsamer Krimi, der in seiner Handlung aber nicht immer schlüssig ist.

Lena Johannson – Die unsichtbare Handschrift

AutorLena Johannson
TitelDie unsichtbare Handschrift
Seitenzahl457
VerlagKnaur
ISBN978-3-426-50909-8
Bewertung

Inhalt
Köln, 2011: Während der Bergungsarbeiten am Kölner Stadtarchiv stößt die Lübecker Restauratorin Christa Bauer auf ein Schriftstück aus dem 13. Jahrhundert, aus dem ihr die Worte „Lübeck“ und „Betrug“ ins Auge springen! Fasziniert zieht sie weitere Erkundigungen ein.
Lübeck, 1226: Esther führt ihrem Bruder Kaspar, einem Schreiber, den Haushalt, stellt für ihn Tinte her und besorgt ihm neue Aufträge. Doch sie hat ein Geheimnis: Auch sie kann lesen und schreiben, was Frauen ihrer Schicht allerdings nicht erlaubt ist.
Eines Tages belauscht Esther zufällig ein Gespräch, in dem eine mögliche Urkundenfälschung diskutiert wird, durch die der Stadt Lübeck neue Privilegien verschafft werden sollen…

Meine Meinung
Die Urkunde, die Friedrich II. im Jahr 1226 als Abschrift des Originals von Kaiser Barbarossa vorgelegt wurde, ist wohl tatsächlich um einige Punkte ergänzt worden. Wie dies jedoch zustande gekommen ist, kann nur vermutet werden, und so bleibt viel Freiraum für Spekulationen. Lena Johannson hat diesen Freiraum genutzt, um ein Verwirrspiel um den Austausch der Urkunde zu entwickeln.
Die Rahmenhandlung, in der die Restauratorin der Urkundenfälschung auf den Grund gehen will, hätte meiner Meinung nach nicht sein müssen. Gerne lese ich so etwas als Einleitung, um einen Bezug zu unserer Zeit zu schaffen, doch immer wieder zwischendurch von Christa zu lesen fand ich unnötig und hat mich regelmäßig aus der Geschichte gerissen. Zwar erhält man dadurch einen Bezug zur heutigen Zeit, aber die Tatsache, dass die Urkunde keine reine Abschrift darstellt, ist wohl schon wesentlich länger bekannt. Somit sollte dies für eine Restauratorin keine Neuigkeit sein.
Die Handlung im Mittelalter fand ich dagegen schon wesentlich interessanter. Die Stadt Lübeck wird anschaulich beschrieben, auch alltägliche Dinge gehören dazu. So wird deutlich, wie schmutzig die Straßen Lübecks sind: Eine Frau verrichtet in der Öffentlichkeit ihr „Geschäft“, und Trippen, Holzschuhe, die man sich unter die eigentlichen Schuhe schnallt, um nicht direkt mit dem Unrat in Kontakt zu kommen, werden erwähnt. Die Herstellung von Tinte wird genauso beschrieben wie die Schwierigkeiten, an Aufträge zu gelangen.
Andere Aspekte der Geschichte konnte ich mir allerdings weniger vorstellen, wie zum Beispiel, dass es Frauen aus Esthers Schicht unter Strafe verboten gewesen sein soll, Lesen und Schreiben zu können. Sie will schließlich einen Händler heiraten, soll es ihr da verboten sein, ihm bei der Arbeit zu helfen? Ebenso hatte ich meine Probleme mit dem Namen der Hauptperson, stammt er doch aus dem Alten Testament. Ich verbinde ihn eher mit jüdischen Frauen und kann mir nur schwer vorstellen, dass eine Christin auf diesen Namen getauft wurde.
Auch die Handlung selbst hat ein paar Fragen aufgeworfen. Kann Esther eigentlich auch Latein lesen und schreiben, um überhaupt einen eigenen Urkundentext entwerfen zu können? Es wird nur beschrieben, dass Esther Lesen und Schreiben lernt, nicht aber auch andere Sprachen. Welche Rolle spielt eigentlich die alte Frau? Und was haben die Kartoffeln auf dem Acker zu suchen? Ein so offensichtlicher Anachronismus sollte doch wohl zu vermeiden sein.

Fazit
Ich hatte ein wenig mehr erwartet. Den sehr interessanten Beschreibungen des mittelalterlichen Lübecks und der Geschichte um den Austausch der Urkunden stehen ein paar Plotlöcher und eine eher langweilige Rahmenhandlung gegenüber.