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Elizabeth Redfern – Der Fluch der Sterne

AutorElizabeth Redfern
TitelDer Fluch der Sterne
OriginaltitelThe Music of the Spheres
ÜbersetzerMarion Sohns
Seitenzahl573
VerlagBLT
ISBN3-404-92140-2
Bewertung

Inhalt
London 1795: England liegt im Krieg mit Frankreich, doch viele Franzosen, Flüchtlinge vor der französischen Revolution, befinden sich im Land.
Jonathan Absey arbeitet tagsüber im Ministerium für innere Sicherheit, zu dessen Aufgaben es gehört, französische Spionagetätigkeit zu verhindern. In seiner Freizeit aber sucht Absey nach dem Mörder seiner Tochter.
Plötzlich werden kurz nacheinander mehrere rothaarige Frauen ermordet aufgefunden, die Taten weisen Parallelen mit dem Mord an Abseys Tochter auf. Kurz vor ihrem Tod wurden die jungen Frauen in Begleitung eines verwirrt wirkenden Franzosen gesehen, der von Sternen geredet und mit französischem Gold für die Dienste der Damen bezahlt haben soll. Dabei soll auch mehrfach der Name Selene gefallen sein…

Meine Meinung
Dieser Krimi spielt zu einer Zeit in England, über die ich bisher sehr wenig weiß. Die Erklärungen zur Politik im Roman selbst sind spärlich gesät, und so ist es mir nicht immer leicht gefallen, die Rahmenhandlung nachzuvollziehen. Ein Nachwort hilft ein wenig, die Zusammenhänge im Nachhinein zu verstehen, doch habe ich während des Lesens nicht immer nach hinten blättern wollen, um nicht gespoilert zu werden. Und so habe ich mich ausnahmsweise fast ausschließlich auf die Kriminalgeschichte konzentriert und die Rahmenhandlung überlesen.
Absey ist kein besonders sympathischer Charakter, er hat seine Frau vergrault, auch seinem Halbbruder gegenüber verhält er sich nicht besonders zuvorkommend. Er ist einfach in seine Arbeit verbissen und von dem Mord an seiner Tochter besessen, dabei aber scheinbar nicht besonders charakterstark. Dies macht ihn zwar auch menschlich, ich hätte ihn aber so manches Mal schütteln können für seine Taten.
Aber auch Jonathans Halbbruder Alexander, ehemaliger Navigator und Astronom, den Jonathan als Berater und Spion hinzuzieht, hat seine Schwächen, was ihn über seine bloße Funktion als Informationslieferant heraushebt. Durch ihn erfährt man zusammen mit seinem Bruder so einiges über Astronomie, über die Theorie eines weiteren Planeten und diverse andere Dinge, die noch völlig neu für mich waren, während des Romans aber gut verständlich erklärt wurden.
Die Krimihandlung selbst ist interessant, allerdings geht es weniger um die Frage, wer denn der verwirrt wirkende Franzose sein könnte, sondern eben um den Grund für die Morde. Dabei spielen Sterne und „Selene“ eine größere Rolle. Abseys Ermittlungen werden hier logisch dargestellt, ich als Leserin war meist nicht wesentlich näher an der Lösung dran als Absey selbst, dabei wird weitestgehend auf falsche Fährten, wie sie einem häufig in anderen historischen Krimis aufgedrängt werden, verzichtet. Da die Handlung aber mit den politischen Ereignissen verknüpft ist, ich hier aber leider nicht immer durchgestiegen bin, wer jetzt auf welcher Seite im Krieg steht, war dies für mich ein wenig verwirrend. Das Ende hat mir leider nicht ganz so sehr gefallen, ist aber durchaus stimmig und passt zum Gesamtbild des Krimis.
Die verwendete Sprache ist eher nüchtern, dies passt aber sehr gut zum beschriebenen Milieu. Dinge werden beim Namen genannt und nicht beschönigt. In den Gassen wird der Dreck und die Ratten beschrieben, dunkle Gestalten erwähnt. London wird dadurch richtig lebendig.

Fazit
Dieser historische Krimi hat mich ein wenig ratlos zurückgelassen. Einerseits sind die diversen Beschreibungen sehr interessant, andererseits sind mir die Charaktere größtenteils nicht sonderlich sympathisch und die Handlung ein wenig verwirrend. Wer gerne historische Krimis liest und sich für diese Zeit interessiert kann hier durchaus einen Blick riskieren.

Tom Finnek – Gegen alle Zeit

AutorTom Finnek
TitelGegen alle Zeit
SerieLondon Band 2
Seitenzahl541
VerlagBastei Lübbe
ISBN978-3-404-16812-5
Bewertung

Inhalt
London, 1724: Mit einem Brummschädel und ohne Erinnerungen an den letzten Abend wacht Henry Ingram eines Morgens im Keller eines Londoner Ginhauses auf. Er weiß nur, dass er noch auf der Bühne gestanden und bei einer Aufführung der Bettleroper mitgewirkt hat – sogar sein Kostüm trägt er noch. Und so hält er auch die Kleidung der Personen um ihn herum für Kostüme, die Gebäude der Stadt für Kulissen, bis er nicht drumherum kommt, diese als echt zu akzeptieren. Doch das hieße, dass er durch die Zeit gereist sein muss, denn er ist ein Mensch des 21. Jahrhunderts!

Meine Meinung
In diesem Zeitreiseroman beschreibt Tom Finnek eindrucksvoll das Leben der Menschen der Unterschicht Londons im 18. Jahrhundert. Man kann den Unrat schon fast riechen, so anschaulich wird die Umgebung beschrieben. Die Hauptpersonen (bis auf Henry natürlich) sind historisch belegt, sie waren die Vorbilder für John Gays „The Beggar’s Opera“, die 1728 uraufgeführt wurde.
Der Roman ist in mehrere etwa gleich lange Abschnitte unterteilt, die mal die Erlebnisse von Henry, dann wieder die von Bess und anderen Personen beschreiben. Dabei erfährt der Leser in den Abschnitten nur die Sorgen, Probleme und Gedanken der jeweiligen Hauptperson. Was die jeweils anderen denken und tun bleibt offen bzw. wird in anderen Abschnitten thematisiert. So ist zum Beispiel in den Abschnitten um Bess Henrys Zeitreise kein Thema, schließlich weiß sie nichts davon.
Gelegentlich kommt es vor, dass Szenen mehrfach erzählt werden, und zwar in aufeinanderfolgenden Kapiteln aus verschiedenen Perspektiven. Dies ist aber keine bloße Wiederholung des schon Erzählten, denn durch die unterschiedlichen Sichtweisen der Charaktere und ihrer Gedanken setzt sich erst das komplette Bild zusammen. Die Handlung verläuft also nicht stur chronologisch, sondern springt gelegentlich kurz in der Zeit zurück.
Dieses Stilmittel gefällt mir sehr gut, weil man so einfach dichter an den Charakteren dran ist und als Leser nicht mehr weiß als die Hauptperson des jeweiligen Kapitels. So bin ich tatsächlich mehrmals überrascht worden, ohne, dass mir dies als künstlich herbeigeführt vorkam.
Die Personen sind auch nicht stereotyp, immer wieder konnte ich neue Facetten an ihnen entdecken, und bis auf vielleicht eine Ausnahme würde ich niemanden als ausschließlich gut oder böse sehen.
Ein Nachwort oder Personenregister gibt es nicht, dafür einen Anhang, in dem die wichtigsten Personen und Begriffe der Reihenfolge nach erklärt werden, sowie eine Karte Londons.

Fazit
Ein Zeitreiseroman, bei dem die Zeitreise in Henrys Abschnitten zwar immer wieder thematisiert wird, diese aber nicht aufgesetzt wirkt. Deshalb finde ich den Roman auch für diejenigen, die sonst weniger mit dieser Art Roman anfangen können, empfehlenswert.