Maren Winter – Der Stundensammler

AutorMaren Winter
TitelDer Stundensammler
Seitenzahl495
VerlagHeyne
ISBN978-3-453-40146-4
Bewertung

Inhalt
Worzeldorf in der Nähe von Nürnberg, 1502: Severin ist erst elf Jahre alt, doch groß und kräftig gebaut. Eigentlich sollte er seinen Pflegeeltern eine große Hilfe bei der Führung des Hofes sein, doch passt er nicht so recht in die Familie. Sein hohes mechanisches Verständnis sorgt oft für Unverständnis, zudem hat er kein Verhältnis zur Zeit: Immer entrinnt sie ihm und er verpasst oft den richtigen Zeitpunkt.
Als seine Familie ums Leben kommt, gibt sich Severin die Schuld an ihrem Tod, weil er zum Zeitpunkt ihres Todes nicht anwesend war. Und so verbeißt er sich in den Wunsch, eine eigene Uhr zu besitzen, damit er wichtige Momente nicht mehr verpassen kann…

Meine Meinung
Dieses Buch ist wieder ein Beispiel dafür, dass man Klappentexten nicht immer trauen sollte. Der Roman beginnt nicht, wie man auf dem Buch lesen kann, 1492, sondern etwa zehn Jahre später.
Vom allgemeinen Aufbau ist Der Stundensammler ein historischer Roman wie viele andere auch: Die Lebensgeschichte einer mehr oder weniger fiktiven Person wird in historische Ereignisse und das Leben historischer Persönlichkeiten eingebaut. Und trotzdem hatte ich hier das Gefühl, dass dieser Roman doch irgendwie anders ist.
Dies fängt damit an, dass er besonders zu Beginn sprachlich heraussticht, indem sehr häufig mit Begriffen zur Zeit gespielt wird, sodass schnell klar wird, was das Fassen der Zeit für Severin bedeutet und welche Schwierigkeiten er damit hat.
Diese Schwierigkeit wird dem Leser auch dadurch verdeutlicht, indem innerhalb des Romantextes nahezu komplett auf die Nennung von Zeitangaben verzichtet wird. Wie viele Tage, Monate oder Jahre seit dem letzten Kapitel vergangen sind wird nicht erwähnt und ist auch aus dem Zusammenhang nur selten erkennbar, gelegentlich kann man es sich durch die äußerlichen Beschreibungen der Heranwachsenden erschließen. Zwar gibt es eine Zeittafel im Anhang, jedoch ist die Gefahr, sich dadurch zu Spoilern, recht groß, weshalb ich davon abraten würde.
Die Rahmenhandlung des Romans ist durch den Lebenslauf der historischen Personen Herman und Peter Henleins vorgegeben. Dass es einen Severin Henlein gegeben hat, ist durch Dokumente belegt, doch ist über ihn weiter nichts bekannt, weshalb die Autorin hier ihrer Phantasie freien Lauf lassen und Severin nach ihren Vorstellungen gestalten konnte. Und so erzählt Maren Winter hier die spannende Geschichte eines Jugendlichen, der seinen Platz in der Welt sucht, aber nirgends richtig dazugehört, der über eine hohe Intelligenz verfügt, aber durch sein Verhalten immer irgendwo aneckt, dem es schwer fällt, Freundschaften zu schließen und sie auch zu halten, und dem der Besitz einer Taschenuhr mehr bedeutet als alles andere auf der Welt.
Besonders zu Beginn hatte ich meine Probleme mit Severin, ist sein Verhalten doch mehr als nur ein wenig absonderlich. Doch je länger ich mich mit dem Buch beschäftigt habe, um so wahrscheinlicher war es für mich, dass Severin leicht autistisch sein könnte, was es mir erleichtert hat, ihn zu verstehen, auch wenn es ihn nicht unbedingt sympathischer macht.
Auch viele der anderen Charaktere sind keine Sympathieträger. Besonders Peter und Herman Henlein sind richtig unangenehme Zeitgenossen, mit denen sich Severin allerdings mit der Zeit zu arrangieren lernt.
Thematisch liegt der Schwerpunkt dieses Romans, wie schon erwähnt, auf der Erfindung der Taschenuhr, die Peter Henlein zugeschrieben wurde – inzwischen ist sich die Forschung anscheinend nicht mehr ganz sicher, jedoch geht Maren Winter noch von dieser These aus, lässt Severin aber eine Große Rolle darin spielen. Dabei ist diese Geschichte durchweg glaubwürdig beschrieben, trotz oder vielleicht auch gerade wegen Severins Andersartigkeit.
Im Anhang gibt es neben der schon zuvor erwähnten Zeittafel zum Leben der Henleins noch weiteres Zusatzmaterial wie ein Glossar, ein kurzes Personenregister sowie kurzen Erläuterungen zum Handlungsort und zur Erfindung der Taschenuhr an sich. Zudem gibt es zwei Karten zu Nürnberg und der weiteren Umgebung, die leider so gut wie unlesbar sind und so nur der groben Orientierung dienen.

Fazit
Mit Der Stundensammler hat Maren Winter einen weiteren historischen Roman geschrieben, der aus der Masse heraussticht. Empfehlen würde ich ihn technisch Interessierten, die auch Bücher über Hauptpersonen lesen mögen, die nicht gerade sympathisch oder als strahlende Helden beschrieben sind.

4 Gedanken zu „Maren Winter – Der Stundensammler

  1. Birthe

    Okay. Klingt, als müsste ich das dringend lesen. Schließlich mochte ich auch „Das Lied des Glockenspielers“ sehr, und schräge Hauptfiguren, die keine Helden sind, liegen mir auch. :-D

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        1. Rissa Beitragsautor

          Bestimmt! Bei mir geht zwar gerade alles drunter und drüber, mit unregelmäßigen Arbeitszeiten, aber irgendwann klappt es bestimmt.

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